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das kulturelle überformat
Nr. 28 / 2. November 2009
#Interview mit Yoko Ono
  3/6
dossier: Aussenseiter
Interview mit Yoko Ono

Das Material auf dem Album ist ja zwischen Free-Jazz, Punk, Ambient und Rock sehr unterschiedlich ausgefallen...

(begeistert) …ja total unterschiedlich. Ist das nicht grossartig?

Ja, super.

Ich komme ja eigentlich von der klassischen Musik und dem Jazz her, aber im Gegensatz zu vielen anderen Musikern habe ich nie gesagt: Ich mache nur Klassik oder Avantgarde. Als Ornette Coleman 1968 kam und mich bat, eine Show mit ihm in der Royal Albert Hall zu spielen, habe ich es getan. Und dann bin ich ja über diesen Rocker gestolpert (lacht herzlich), und da habe ich eben das getan – ich habe immer leidenschaftlich und interessiert Musik gemacht. Diesmal hatte ich mir vorgenommen, einfach zu tun, was mir in den Sinn kommt – es ist, als würde ich die Landkarte meines Hirns teilen, so wie es sich gerade anfühlt.

Vieles scheint sich dabei um Erinnerung zu drehen, es klingt immer wieder auch recht träumerisch und wehmütig. Hat dieser Ton mit dem Älterwerden zu tun?


Es geht um Erinnerung, aber genauso um die Zukunft. Um das Älterwerden muss ich mir keine Gedanken machen. Auch nicht darum, ob ich noch Avantgarde bin oder nicht. Ich brauche einfach die Überraschung. Wenn die Leute mit Jeans und T-Shirt rechnen, dann

trete ich in einem viktorianischen Kostüm auf. Ich bin auch schon im Nachthemd aufgetreten, hab gesagt: Oh, tut mir leid, ich habe mich im Zimmer geirrt und bin einfach wieder gegangen. Dabei bemühe ich mich nicht um Unberechenbarkeit. Ich versuche nur zu sein, was ich jeweils gerade bin.

Woher kommt dieser provokante Impuls? Sie haben ja ganz traditionell klassische Musik, speziell das deutsche Lied studiert. Wie sind sie denn von dort zur westlichen Aktionskunst und avantgardistischen Subkultur gekommen?

Ach, das ist so ein Vorurteil gegenüber Japan. Mein Vater war ein ausgezeichneter Pianist und hat mich früh mit der europäischen Zwölftonmusik, mit Schönberg und Berg vertraut gemacht. Und wir sprechen immerhin von den dreissiger, vierziger und fünfziger Jahren.

Ich meinte eigentlich auch eher, dass man in Japan einen leichteren Zugang zu dieser Art von Kunst hat, weil ja schon die Schriftzeichen hochabstrakt sind.

Stimmt, und konzeptueller. Ausserdem ist es so, dass wenn du dich in die asiatische Musikwelt begibt, gibt es keinen Widerstand. Aber für Asiaten ist die eigene Musik eine streng umrissene, unveränderliche Sache. Das Interessante an der Welt ist aber doch, das wir uns austauschen können.