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das kulturelle überformat
Nr. 28 / 2. November 2009
#Interview mit Billy Childish
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dossier: Aussenseiter
Interview mit Billy Childish

Aber war es nicht eine der Hauptbotschaften des Punk, dass jeder eine Band gründen kann?

Das beste am Punkrock war, dass es 1977 kein Konzert gab, in das ich nicht reingekommen wäre. Es gab nie mehr Leute als in das Lokal hineinpassten, obwohl diese Gigs wirklich ziemlich klein waren. Man glaubt immer, Punkrock wäre ein grosses Ereignis gewesen. Es gab ein grosses Mediengetöse darum, aber es war in Wahrheit ein sehr kleines Phänomen. Ich war 1977 in der gesamten Medway- Gegend einer von drei oder vier Punkrockern, und wir haben eine Bevölkerung, die so gross ist wie die von Brighton. Auf eine gewisse Weise gab es da also einen ganz fantastischen Gegensatz, und das war der Grund, warum Punk diese Bedeutung annahm. Es war jugendlicher Übermut, der sich auf eine ungezogene Weise kanalisierte. Wir waren sehr unpolitisch, wir hatten keinen Begriff davon, dass wir Teil des Kontinuums einer Revolution gewesen wären. Wir glaubten, dass wir die Welt neu erfunden hätten und hegten keinerlei Missbehagen gegenüber den Dingen, die wir attackierten. Ich kann das ehrlich behaupten. Ich wusste erst ein paar Jahre nach Punk, was das Anarchie-Symbol überhaupt bedeutet. Natürlich gab es Leute, die zu Rock Against Racism-Gigs oder zu Demonstrationen für das Recht auf Arbeit gegangen sind, aber wir hatten hier nicht so eigenartige Auswüchse wie in Deutschland.

Als wir 1979 in Hamburg spielten, konnte man das Hausbesetzerelement der Szene sehr stark spüren. Ich nannte diese Leute Hippie-Punks, denn das waren eigentlich bloss Hippies, die sich die Haare geschnitten hatten und sich Anarchisten nannten. Diese Entwicklung hatte schon ziemlich früh eingesetzt, und es gab auch bei uns Leute wie Joe Strummer, der eigentlich aus der Hippie-Hausbesetzer-Szene gekommen war. Aber wir 17jährigen waren gegen Drogen, gegen diese langweilig vollgedröhnten Hippies. Er war absoluter Idealismus, und ich bin immer dabei geblieben. Ich habe immer noch dasselbe Gefühl in mir. Deswegen wandte ich mich vom Punk auch so schnell ab, weil der sich zu dieser New Romantic-Sache entwickelte, und ging zurück zum Rock’n’Roll. Ich begann zu begreifen, dass jede Kreativität ihre grösste Energie in ihrem Ursprung entwickelt. Und deswegen bin ich immer beim Ursprung geblieben.

Woher kam eigentlich die Idee des hinten und an der Seite kurz geschorenen Haars? Sie haben ja schon 1977 so ausgesehen.

In meiner Sekundarschule, die eine ziemlich raue Anstalt war, war ich der Schüler mit dem längsten Haar. Wir wurden als Futter für die Docks herangezogen. Wir waren dazu vorgesehen, mit 16 ohne spezielle Ausbildung die Schule zu verlassen, alles andere war vorgesehen. Im fünften Schuljahr haben sie