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das kulturelle überformat
Nr. 28 / 2. November 2009
#Kolumne von Markus Schneider, Berlin
  4/6
gedankengang
Kolumne von Markus Schneider, Berlin

Ich finde es dabei durchaus sympathisch, dass offenbar soviele, auch junge Menschen, sich Jackson verbunden fühlen, und neben seiner bis Mitte der Achtziger schon immer wieder richtig prima Discomusik auch hinweisen auf Kindesmissbrauch, Hautfarbe und Arbeitsschinderei, Einsamkeit, Schüchternheit, Vollverwirrung und Hochneurose. Nur habe ich den begründeten Verdacht, dass da niemand aus irgendwelchen Fehlern lernt. Oder was haben American-Idol- oder DSDS-Fratzen bei so einer Totenfeier zu suchen? Also Protagonisten genau der Welt, in der Jackson verrückt wurde, weil ausser Quote, Leistung und Schinderei, Disziplin und Verlogenheit nichts weiterführt? Ach, ein paar kurzgewachsene Mädels zeigten vor der Unterschriftenpinnwand ihre Tattoos. Und fühlte mich dabei sehr alt.

Was voll egal ist, ich bin krank. Und die Privat- und Talkshow-Welt lebt weitgehend ohne mich. Ich habe zwar immer wieder mitleidssatte Begegnungen beim Zappen, aber mittlerweile denke ich mir, dass alle an einer bestimmten Art Elend selbst schuld sind. Man muss nicht mit jeder Psychose gleich ins Fernsehen. Und man wird dafür auch nicht – Ausnahmen wie Bohlen, Geissen, Kerner, Pocher, Barth, Raab (oje, und die Grauzone! Vielleicht ja doch viel mehr als man denkt?) – belohnt.

Übrigens bin ich gespannt, wie die Feierlichkeiten zum Mauerfalljubiläum ausfallen. 20 Jahre, da gibt es natürlich viel wegzuerinnern. Mir allerdings fällt gar nicht viel ein. Ich bin damals am gerade geöffneten Brandenburger Tor vorbeigefahren, von Kreuzberg nach Wedding, auf der tatsächlich so genannten Entlastungsstrasse. Die gibt es heut nicht mehr, die Reste sind irgendwie in die verschiedenen Tunnels, Umleitungen und Parlamentssperren übergegangen. Weil das Gebiet jetzt natürlich amtliches Sperrbezirks- und historisches Grossgelände ist. Bald