Nachrichten aus der großen Geisterstadt Wien (11)
Geister im Brunnen
Wenn bei uns eine Wahlschlacht geschlagen ist, wird man als Hiesiger gern aufgefordert, ihren Ausgang zu kommentieren. Die diesbezügliche Aufforderung ist meistens nur ein dumpfes «Und?», hervorgestoßen am Montag nach der Wahl.
Die Fragenden wollten diesmal wohl im Speziellen eine Meinung zum (scheinbaren) Erstarken der österreichischen Rechten hören, welche (wenn man die beiden Parteien, in die sie zerfallen sind, zusammenzählt) jetzt beinah so stark sind wie die Sozialdemokraten, also ums Arschlecken die stärkste Partei. Ich gestehe aber, ich will nicht drüber reden. Wenn schon, dann eher über andere Aspekte, nämlich: Warum sind die rechten Wähler in ihrer Überzahl so jung, und warum hat es soviele Idioten gegeben, die nicht zur Wahl gegangen sind? Aber lieber gar nicht. Herr Wilhelm, ein befreundeter Sänger, und ich haben uns insofern ausgetauscht, daß jeder (seiner jeweiligen Liebsten gegenüber) nur einen einzigen Kommentar hatte: S'gibt hoid vü Trottln.
Aber es gibt ja andere Dinge zu kommentieren: Im Stadtpark, meiner Leib- und Magengrünfläche innerhalb der großen Geisterstadt Wien, haben sie beispielsweise einen neuen Brunnen aufgestellt, ein filigranes, tannengrünes Eisenbecken, über das sich die Statuette eines Basilisken beugt, um frisches Quellwasser hineinzuspeiben. Sowas freut mich. Das frische Wasser, weil ich hier nach dem Laufen oft dürstend vorbeikomme, und der Basilisk im Besonderen. Einen Basilisken muß man erklären. Der Basilisk ist einer der ältesten Geister, die unsere große Geisterstadt bewohnen. Der Basilisk ist aus jenem dotterlosen Ei geschlüpft,
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gelesen und vertont
von Ernst Molden