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das kulturelle überformat
Nr. 18 / 3. Oktober 2008
#Kolumne von Ernst Molden, Wien
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gedankengang
Kolumne von Ernst Molden, Wien

das ein alter Hahn gelegt und eine Kröte ausgebrütet hat, erzogen würde er von einer Schlange. Plinius hat ihn erstmals beschrieben: Er lässt die Sträucher absterben, nicht nur durch die Berührung, sondern auch schon durch den Anhauch, versengt die Kräuter und sprengt Steine: eine solche Stärke hat dieses Untier.

Der Basilisk schaut aus wie eine Mischung seiner Elternteile und Erziehungsberechtigten, ist also, wie man in Wien sagt, schiach, und seinem Mund entströmt ein tödlicher Pesthauch. In einem der ältesten Quartiere der alten Stadt Wien, in der Schönlaterngasse soll er gegen Ende des Mittelalters zuletzt sein gräßliches Haupt erhoben haben, und zwar am Grunde eines Brunnens im Hinterhof eines Hauses, wo man ihn entdeckte, als das Wasser untrinkbar wurde. Eine Anzahl Wiener stieg in den Brunnen, wurde des Basilisken ansichtig und versteinerte ob seines schlechten Atems und seines grauenhaften Anblicks.

Die Lösung fand schließlich ein Bäckergeselle, der ebenfalls in die Tiefe stieg, allerdings mit einem Spiegel. Das Monster sah sich erstmals selbst und versteinerte seinerseits. An jenem Haus in der Schönlaterngasse prangt bis heute eine Art Steinwurst, bei der es sich um die Reste des Untieres handeln soll.

Ich bin überzeugt, daß der damals fossilierte Geist nur ein Mitglied einer weitverzweigten, unterm Strich unausrottbaren Familie war und seiner Brüder und Schwestern, Cousins und Cousinen noch immer im Untergrund das Böse vor sich her rülpsen.


Schönlaterngasse im 1. Bezirk
Wandmalerei samt steinernem Basilisken
Foto: Ernst Molden