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das kulturelle überformat
Nr. 10 / 4. Dezember 2007
#Interview mit Sebastian Ritscher, Literaturagent
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dossier: Übersetzungen
Interview mit Sebastian Ritscher, Literaturagent

Mit zwei oder drei Autoren ist uns dies gelungen. Einer war Jörgen Trinborn, er hat eine Biographie über Leni Riefenstahl geschrieben. Des weiteren Hannelore Wonschig mit ihren Memoiren aus Theresienstadt. Und wir vertreten das Werk von Stefan Heym und Eric-Maria Remarque. Es sind jedoch verschwindende Ausnahmen. Allerdings funktioniert der Austausch hier anders. Deutsche Verlage wollen gewöhnlich die Übersetzungsrechte mitkaufen, wenn sie einen deutschen Autor unter Vertrag nehmen. Es liegt dann am Verlag, die Übersetzungen zu vermitteln. Im englischsprachigen Raum ist es dagegen ein Verhandlungsgegenstand. Die Übersetzungsrechte eines englischsprachigen Autors sind viel mehr wert als jene seines deutschen Kollegen, weil viel mehr aus dem Amerikanischen übersetzt wird als aus dem Deutschen.

Mein Eindruck über die letzten zehn Jahre ist der, dass praktisch keine deutsche Literatur mehr auf Englisch erscheint. Der Verdacht liegt auf der Hand, dass dafür ausschliesslich wirtschaftliche Gründe verantwortlich sind.


Ich vermute eine Statistik wäre sehr ungenau, weil die Zahlen zu klein sind. Wenn es in einem Jahr zwölf Übersetzungen wären und im nächsten Jahr deren fünfzehn würde man von einer Zunahme von 25 Prozent sprechen und denken, wow! Aber insgesamt ist das so wenig, dass von einem Trend zu reden gar nicht

möglich ist. Man kann nur sagen, dass extrem wenig aus dem Deutschen ins Englische übersetzt wird. Das war zwar schon immer so, aber früher gab es immerhin noch Exilverleger und eine deutsche Exilgemeinde in den USA. Es hat noch Verleger gegeben, die deutsch gelesen haben und deutsch übersetzen konnten. Heute in Amerika einen deutschen Roman anzubieten, oder ein deutsches Sachbuch, das nicht vom Dritten Reich handelt, kann man gleich vergessen. Nur schon ein deutsches Buch anbieten zu wollen, ist problematisch. Nur schon jemanden zu finden, der es lesen kann, ist extrem schwer. Es gibt in New York im Verlagswesen ein halbes Dutzend Leute, die überhaupt deutsch lesen.

Ich erkenne im Musikjournalismus eine Tendenz, die sich möglicherweise auch in anderen Spezialbereichen abzeichnet. Die Musikindustrie konzentriert sich in ihrer PR-Arbeit immer mehr nur noch auf englischsprachige Medien. Sie tun dies im Wissen, dass diese renommierten Publikationen und TV-Produktionsfirmen ihre Produkte weltweit vertreiben. Dadurch wird die ganze Maschinerie viel billiger, sie ist auch leichter zu kontrollieren. Entsprechend bekommen Medien aus anderen Ländern nur mehr schwer Kontakt zu den lukrativeren Künstlern. Der englische Sprachraum hat sich abgeschottet von den nicht-englischen Kulturen und schaut im internationalen Vertrieb seiner Produkte ausschliesslich auf die eigenen Interessen.