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das kulturelle überformat
Nr. 28 / 2. November 2009
#Interview mit Billy Childish
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dossier: Aussenseiter
Interview mit Billy Childish

Sie nannten es das Medway Delta, zunächst nur zum Scherz, später mit Stolz. An der Mündung des Flusses Medway, dem unglamourösen Nachbarn der Themse im Südosten Englands am nördlichen Rand der ansonsten so schmucken Grafschaft Kent, dort wo der Verfall des Schiffbaus leere Dockyards und weitläufige Verelendung hinterlassen hat, liegt die spirituelle Heimat des britischen Garagenrock. Schuld daran ist ein gewisser Steven John Hamper, genannt Billy Childish, Gründer, Songschreiber und Hauptprotagonist von Bands wie The Milkshakes, Thee Headcoats, Thee Mighty Caesars, The Buff Medways und The Musicians of the British Empire (MBEs), die ihrerseits eine Reihe örtlicher Acts wie die Prisoners, Holly Golightly oder, unlängst, Pete Molinari musikalisch und ästhetisch inspirierten.

In der Medway-Stadt Chatham aufgewachsen, zertrümmerte er einst als Steinmetzlehrling in den Dockyards mutwillig seine Hand, um seiner beruflichen Bestimmung zu entgehen. Danach studierte er Kunst am Londoner Central Saint Martins College, bis er wegen seiner Weigerung, an der Schule zu malen, rausgeworfen wurde. Seit dem britischen Jahr des Punk 1977 hat Billy Childish unter seinem – manchmal um das verdiente Attribut «Wild» erweiterten – Pseudonym seine fundamentalistische Interpretation des Rock’n’Roll in hunderte Alben und Singles kanalisiert, deren gehaltvolles Destillat heuer zu seinem Fünfziger (genau genommen am 1.12.) in Form der Compilation «Archive from 1959» erscheint: von programmatischen Weisen wie «Out of Control» oder «Punk Rock Ist Nicht Tot» über «Cowboys Are Square» oder «We Hate The Fuckin’ NME» bis zu «Thatcher’s Children» und «Joe Strummer’s Grave». Über die Jahrzehnte hinweg verschaffte sein Werk ihm prominente Fans wie Kurt Cobain, Beck, Graham Coxon von Blur (auf dessen Label Transcopic er eine zeitlang veröffentlichte) oder Jack White.