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das kulturelle überformat
Nr. 28 / 2. November 2009
#wiedergesehen: Yasujiro Ozu: «An Autumn Afternoon» (1962)
  3/4
film
wiedergesehen: Yasujiro Ozu: «An Autumn Afternoon» (1962)

sozialen Regeln eher implizit geschildert wird, sticht die Strenge der ästhetischen Mittel sofort ins Auge. Gerade in seinem letzten Film verzichtet er ganz auf jede Kamerabewegung und filmt praktisch ausschliesslich aus einer festen, tiefen Position, der nach der traditionellen Sitzposition genannten Tatamiperspektive. Ebenso verzichtet er auf spannungsbildende Diagonalen und bevorzugt ruhige,  horizontale Kompositionen. Natürlich gibt es auch keine Blenden oder anderes Zierwerk. Dafür, Frieda Grafe hat es bemerkt, wirken die Farben wie ausgewaschen. Donald Richie, Werksbiograph und Japanspezialist, weist dabei auf Ozus Vorliebe für Rot hin, weshalb auch in diesem sehr blassen Letztwerk, dessen Bewohner wie die Gebäude und Interieurs fast ausschliesslich grau, weiss, braun und schwarz tragen, immer wieder kleine rote Akzente gesetzt werden – am auffälligsten in der Aufnahme der Tochter, die sich im Brautgewand langsam in die Kamera dreht. Die Aussenansichten sind von klaren Linien, den Mustern der Balkone, Schildern der Bars und den Leitungen und Masten von Telefon und Strom bestimmt. Die Innenräume, Wohnungen und Bars, wirken fast austauschbar in ihren Gangfluchten, Trennwänden und Tischchen. Und ebenso zurückhaltend und stilisiert agieren die Schauspieler.

Natürlich liegt es genau an dieser Reduziertheit der Mittel, dass die Motive von Wehmut und Einsamkeit nie sentimental werden, nicht albern in den leichteren Momenten, wo die Familien oder die Freunde zanken und scherzen, oder gar anklagend, wo es um Konsumwelt oder Sehnsucht nach dem Westen geht.