Heute hören sich die wichtigen Hip-Hop-Manifeste ganz anders an. Sicherlich, es gibt sie noch, die Gangsta-Attitüde, doch hat sie sich vom politischen Statement zur dumpfen Plattitüde gewandelt. Nasir Jones – kurz Nas, der wohl talentierteste Lyriker des Hip-Hop-Universums, konstatierte bereits 2006 provokativ «Hip-Hop Is Dead» und verabschiedete sich von jenen Dingen, die der sozialen Stimme des schwarzen Amerika bloss zum Nachteil gereichten: schnelle Autos, funkelnde Ketten, glamouröses Geprotze und Sexismus. Angriffe werden nur noch gegen das politische Establishment geführt oder gegen das Selbstmitleid und das Macho-Gehabe der eigenen Gemeinde.
Auf seinem jüngsten selbstbetitelten Album entfacht der Sprachkünstler ein mit der Ästhetik der guten alten Soulmusik getränktes Plädoyer höchster Wortarchitektur. Nas entpuppt sich als feinsinniger, aber stets provokativer Analyst der Zustände im letzten Amtsjahr von George W. Bush. Der von rechter Ideologie verseuchte Fernsehsender Fox News wird in «Sly Fox» angeklagt, auch mit dem Hinweis, dass dem Besitzer Robert Murdoch auch die «alternative» Musikplattform MySpace gehört. Die Matrix nennt Nas das Netz, das über Amerika gespannt wurde. «Think outside the box», ruft er aus. Und in «We’re Not Alone» befiehlt er: «Look in the mirror und see the bigger picture».
Die einzige Waffe, die ein Rapper besitzt, so sagte einmal GZA, Rapper des Kollektivs Wu-Tang Clan, sind «unsere Liquid Swords», die «flüssigen Schwerter», also die Wörter, die Silben, die Sprache.