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das kulturelle überformat
Nr. 29 / 21. Dezember 2009
#Kolumne von Markus Schneider, Berlin
  4/5
gedankengang
Kolumne von Markus Schneider, Berlin

Auch fiel mir die Episode in Rainald Goetz’s aktuellem Talking Blues «Loslabern» ein, wo die Vermutung geäussert wird, die Frisur von «Bild»-Chef Diekmann verdanke sich nicht etwa schlichter Gelbehandlung, sondern dem täglichen Einölen mit dem Vaginalsekret der rappenden Semiologin Lady Bitch Ray, sei also, so Goetz weiter, «echt echter Schleim, der natürlich auch ganz anders glänzt und leuchtet und wirkt, fragen Sie mal zu Guttenberg, was der nimmt (...).» Und einmal mehr fiel mir auf, wie selbstverständlich man mittlerweile so ein Parlament und auch die angrenzenden Eliten nach Celebrity-Masstäben misst und also Alt-Stars wie Merkel und Westerwelle kennt oder Shooting-Stars wie den Arzt und gebürtigen Vietnamesen Philip Rösler und eben den auch haltungstechnisch adligen Boulevard-Liebling zu Guttenberg. Wobei es ein steter Quell der Betrübnis ist, wenn man daran denkt, dass solche Leute Licht auf die Ungleichheiten der Gesellschaft werfen könnten, stattdessen aber nur affirmativ belegen wollen, dass es in dieser Gesellschaft jeder schaffen kann, weiblich, schwul oder zugewandert – und also jeder, der sich minoritär identifiziert und für benachteiligt hält, selber Schuld hat und sich gefälligst mal zusammenreissen möge.

Dazu passt ganz gut auch die Minarett-Entscheidung der Schweiz. Angesichts der ich ganz kurz ein bisschen stolz darauf wurde, dass hier seit einiger Zeit die neue Moschee in Betrieb ist und auf der Strasse Kopftuchmädchen rumlaufen dürfen, ohne dass sie von Psychopathen umgebracht oder von kontroversen Bänkern angepöbelt werden. Umgekehrt gehen mir logisch die religiös Verrückten auf die Nerven, mit ihren vollidiotischen Ideen von Unreinheit und anderem oppressivem Dreck, die man wirklich nicht kulturell wegtolerieren sollte, sondern genauso offensiv verachten wie anderes gemeingefährliches Gedankengut. Womit wir einerseits wieder in Afrika wären und Typen wie dem Papst,