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das kulturelle überformat
Nr. 29 / 21. Dezember 2009
#Kolumne von Markus Schneider, Berlin
  3/5
gedankengang
Kolumne von Markus Schneider, Berlin

einer Dekade Zeitunterschieds, irgendwie gut zu Pynchons drogenparanoidem Spätsechzigerszenario in «Inherent Vice» und seinem Westcoast-Helden Doc Sportello, zu langen Haaren und Bärten, Jeanshemden und einer Big-Lebowski-Kiffer-Sprache voller «groovy» und «far out, man». Obwohl das Buch natürlich viel leichter im Ton ist als Wilson, der später, Anfang der Achtziger, in den pazifikblauen Wellen ertrank und auf der grossartigen Coverfotografie seltsam verloren und voll rustikaler Traurer in eine unbekannte Weite zu schauen scheint. Ich dagegen sah auf die Kirche hinab, wo, vermutlich für das eine oder andere Oratorium, Musik geprobt wurde, und von dort aus über die Stadt, aus deren bereits dunklem Nachmittagshimmel schon die Lichter leuchteten, auch die des Parlaments, das nur wenige Kilometer Luftlinie entfernt lag. Die wichtigste Meldung der letzten Woche war Verteidigungsminister Guttenbergs Fehlinformation, die Bombardierung der afghanischen Zivilisten sei unvermeidbar gewesen, und die folgende Erkenntnis, das Treiben der deutschen Truppen müsse womöglich doch als Krieg und nicht Aufbauarbeit betrachtet werden. Was, bedenkt man es genauer, doch nicht wirklich überraschen sollte. Ausserhalb diplomatischer Rhetorik hält man das staatliche Schiessen auf Menschen in Ländern, wo man nichts verloren hat, und das Sprengen fremder Panzer doch meistens für Krieg, oder nicht?

Plötzlich dachte ich an mein Urlaubshotel, wo frühstückshalber zwischen Eierbratstation und Früchtestand auch ein mit Fliegennetz gesichertes Buffet voll WURST stand, auf welches in breiter Auswahl dargebotenes Angebot die ohnehin grotesk wohl genährten Urlauber offenbar nicht verzichten wollten. Wie überraschend viele überhaupt kein anderes Thema zu kennen schienen als die je unterschiedlichen oder gleichen Hotelbuffets zwischen Gran Canaria, DomRep und irgendwo in Afrika.