Tamara Kostianovsky (Argentinierin, *1974
in Israel), «Unearthed», 2007, clothing,
embroidery thread, metal hooks. Courtesy
of Black and White Gallery, New York.

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das kulturelle überformat
Nr. 28 / 2. November 2009
#The Jewish Museum: «Reinventing Ritual»
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kunst
The Jewish Museum: «Reinventing Ritual»

an. Der Lehrer tropft dabei Honig auf das hebräische Alphabet. Durch das Ablecken des Honigs vom beschriebenen Papier soll dem Jungen klargemacht werden, das Lernen etwas Süsses ist. Goldvicht zeigt sich in ihrem Video «Writing Lesson #1» (2005) hinter einer von Honig verkleckerten Glaswand, von dem sie nun den Nektar ableckt und so dem männlichen Ritual eine dominant weibliche Sinnlichkeit verleiht.

Die heilige Schrift und deren Studium ist für einen praktizierenden Juden ein tägliches Muss. In der Bibel befiehlt Gott Ezekiel eine Schriftrolle mit Klageliedern zu essen, um anschliessend das Wort dem Volk zu verkünden. Die Torah wirklich zu erlernen, heisst denn auch eine physische und spirituelle Interaktion zwischen Geist und Körper zu praktizieren. Das Creative Science Project von Johanna Bresnick (USA, geb. 1973) und Michael Cloud (USA, geb. 1975) präsentiert «From Mouth to Mouth» (2006) mit ultrakleinen biblischen Schriftrollen, verpackt in handelsüblichen Gel-Kapseln. Damit lassen sich die Worte wie ein Medikament schlucken. Die physische Auseinandersetzung erfährt damit einen neuen, fast wissenschaftlich anmutenden Faktor: das Wort löst sich im Körper auf.

Dem neuen Trend einer jungen jüdischen Generation, die die koschere Nahrung unter dem Aspekt des Tierschutzes hinterfragt, folgt Tamara Kostianovsky (Argentinien, geb. 1974) mit «Unearthed» (2007): Ein von der Decke hängender Körper einer Kuh nach der Schächtung. Die Skulptur wurde aus Kleidern der Künstlerin gefertigt und symbolisiert damit die