Aus: «Corto Maltese» Anno 2 Nr. 1
Januar 1984, «Samba con Tiro Fisso», S. 30
Story aus «Im Zeichen des Steinbocks»

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das kulturelle überformat
Nr. 28 / 2. November 2009
#Hugo Pratt – Corto Maltese
  3/10
comic
Hugo Pratt – Corto Maltese

Gelegentlich hält der junge Pratt Phantasien für real: seine diversen, im berauschenden Glauben, fliegen zu können, unternommenen Fensterstürze hat er unbeschadet überlebt. Ein wilder Kerl.

Einfach verrückt


Abenteuergeschichten wie «Jungleman« zeichnend und Abenteuer zwischen Italien, Argentinien und London erlebend, kreierte Pratt Ende der 1960er-Jahre seine Galionsfigur Corto Maltese, ein optisches und ideologisches Alter ego. Den Helden steckt er in eine Seemannsuniform, schickt ihn im schneidigen Dress rund um die Welt, lässt ihn von Abenteuer zu Abenteuer segeln, schwimmen, sich durchkämpfen, während die ironisch-zynische Art des Helden allem Uniformierten die Ordentlichkeit kappt. Corto, cool sinnierend unter der Mütze hervoräugend, sagt von sich selbst: «Ich glaube, es ist besser für mich, ohne Geschichte zu leben.» Aber auch: «Vielleicht bin ich ganz einfach verrückt, das letzte Exemplar einer ausgestorbenen Spezies, die noch an Grossmut, an Heldenmut glaubte.» Ausgestorben auch deshalb, weil Corto Maltese-Abenteuer nur in der Vorkriegszeit spielen können; die Nachkriegszeit mit ihrem Tempo und der touristischen Erschliessung auch des letzten Winkels der Erde lässt weitschweifige, pittoreske Epen in der Südsee, in Brasilien oder in Samarkand kaum mehr zu. Ausgestorben dürften auch Delinquenten, Piraten und Mörder wie Cortos ewiger Gegenspieler Rasputin sein, an Schlitzohrigkeit dem «Kapitän ohne Schiff» ebenbürtig, aber im Gegensatz zu diesem von skrupelloser Bösartigkeit: «Ich habe beschlossen, mir alles zu erlauben.»