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das kulturelle überformat
Nr. 18 / 3. Oktober 2008
#Interview mit Juana Molina
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musik
Interview mit Juana Molina

Juana Molina, es ist wohl das Beste, wenn Sie Ihre Lebensgeschichte gleich selber erzählen, meinen Sie nicht?

Klar doch. Also: ich wurde in Argentinien geboren und lebte dort, bis ich zwölf Jahre alt war. Dann musste 1976 meine Familie das Land wegen des Staatsstreiches verlassen. Wir flohen nach Paris. Ich blieb sechs Jahre dort, bis ich es nicht mehr aushielt und nach Buenos Aires zurückkehrte und mich dort für ein Architekturstudium einschrieb. Mein Vater hatte mir meine erste Gitarre geschenkt, als ich fünf Jahre alt war, und mir die ersten Sachen beigebracht. Ich gab letztlich wegen der Musik mein Studium auf. Ziel war es, einen Teilzeit- Job zu suchen, der gut bezahlt war, damit ich mich auf die Musik konzentrieren konnte. Meine Freunde hielten dies für unmöglich, aber irgendwie stiess ich auf diese TV-Show. Ich musste nur am Montag arbeiten. Da die Show aber die ganze Woche hindurch lief, wurde ich für die ganze Woche bezahlt.

Besser hätte es nicht laufen können.

Genau, das waren paradiesische Zustände. Die Show wurde immer populärer. Ehe ich mich’s versah, musste ich in anderen Programmen auftreten, und schliesslich offerierte mir der Produzent meine eigene Show, «Juana y sus Hermanas». Sieben Jahre verschwand die Musik aus meinem Leben. Aber dann wurde ich schwanger und plötzlich dachte ich: Juana, was machst du

denn da mit deinem Leben? So liess ich alles stehen und stieg aus. Ich wollte zurück zu meiner ersten Liebe, der Musik, ehe es zu spät war. Ich nahm ein Album auf, «Rara». Das war 1996. Danach zog ich nach Los Angeles, denn in Argentinien wollte mich niemand Musik machen lassen – sie wollten alle, dass ich sie weiterhin zum Lachen bringe. Als sich der Rummel allmählich legte, zog ich nach São Paulo und fing mit der Arbeit am zweiten Album «Segundo» an. Seither habe ich nur noch Musik gemacht.

Wie wird die Tatsache, dass Ihre Familie aus politischen Gründen im Exil leben musste, in Ihrer Musik reflektiert?

Alles, was man erlebt, was einem widerfährt, reflektiert sich in der Weltanschauung und in der künstlerischen Arbeit. Als wir in Frankreich ankamen, waren meine Schwester und ich noch ganz jung. Unser einziges Anliegen war, möglichst rasch nicht mehr als Ausländer aufzufallen. Darum versuchten wir als erstes, absolut perfekt französisch zu sprechen. In Argentinien haben wir ein Sprichwort: «Die Kuh, die ihren Stall wechselt, wirft später». So war es bei mir auch. Jede Veränderung hat bedeutet, dass es länger und länger ging, bis ich einen Ausdruck für meine Ideen fand. Später hatte ich dann einen Freund, dessen Bruder Cello spielte. Die beiden waren ganz auf klassische Musik eingestellt. So hörte ich hauptsächlich Schubert, Ravel, Debussy, Bach und Beethoven.