anderes, als wenn man auf dem Weg zum Schuhmacher noch kurz in den Laden tritt und spontan das erstbeste Buch ersteht, dessen Cover einem so freundlich anblinzelt – oder sich von Simons Enthusiasmus verführen lässt, der mir schon Perlen wie den Italiener Niccola Ammaniti ins Haus geschneit hat.
Etwas anderes auch, als auf Amazon «Michael Jackson» einzutippen und dann innert zwei Minuten mittels sieben Kreuzchen ein Vermögen auszugeben, obwohl jedes Buch ein Drittel weniger kostet, als bei Simon (bei dem ich natürlich jedes Buch bestellte, das er nicht an Lager hatte). Das Problem: «browsing» gibt es bei Amazon nicht: oder vielmehr – es ist ein ganz anderes «browsing», wenn man durch elektronische Hinweise wie «other customers who ordered this book also ordered these...» geführt wird. Dieser Art von «browsing» geht jedes ästhetische Kriterium ab, es wird einzig und allein durch ein paar Überlegungen des Computers geprägt. Bei Amazon ist es unmöglich, durch die Reihen zu schlendern und sich von einem Cover charmieren zu lassen. Denn auf Amazon sehen letztlich alle Covers aus wie das, was sie in diesem virtuellen Katalog sind, nämlich ein Inserat.
Das Verschwinden des «Browsing» hat einen ähnlichen Effekt wie die Tatsache, dass die Plattenfirmen den Kritikern keine CDs mehr zuschicken, die sie nicht bestellt haben – und wenn, dann auch nur per Stream. Das bedeutet: man stösst nur noch im engen Kreis seines gewohnten Orbits auf Neues. Die Zufallsbekanntschaften fallen dahin. Die «wer das gekauft hat, kaufte auch das»-Hinweise von Amazon sind ein widerliches und gefährliches Exempel virtueller Gleichschaltung.
Hanspeter Künzler
P.S. Simon hat übrigens seine Gedanken zum Untergang des «Kilburn Book Shop» sehr schön in Worte gefasst. mehr (pdf) »