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das kulturelle überformat
Nr. 31 / 30. April 2010
#Kolumne von Hanspeter Künzler, London
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gedankengang
Kolumne von Hanspeter Künzler, London

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Das Hohngelächter der Ignoranz

Vor zehn Tagen kam ich endlich einmal wieder dazu, einen Spaziergang die Kilburn High Road hinunter zu machen. Nun muss ich leider sagen, dass ein solcher in den letzten Monaten wenig Spass gemacht hat. Überall zugenagelte Schaufenster, «Shop Lease for Sale»-Schilder, deren windschiefe Winkel anzeigen, dass sie nicht erst seit gestern da hängen, und brandneue «Beauty Parlour» mit Spezialangeboten fürs Aufsetzen von knalligen Fingernägeln «American Style».

Die eigene Schönheit ist das letzte, woran die Teenager von heute sparen, wenn die Eltern keinen Zaster fürs Taschengeld mehr haben. Anyway: in freudvoller Erwartung der Schätze und der skurrilen Anekdoten, die mich da erwarten würden, bahnte ich mir meinen Weg durchs verregnete Gewühl der High Road, Richtung «Kilburn Book Shop». Was mich da aber unversehens mitten im Bauch erwischte war – Achtung: Metapherwarnung — ein Säbelstich gemeinster Art. Nämlich war dieses sonst so edel ausgestattete Schaufenster von oben bis unten mit garstigen, orangen Postern zugepflastert. In einer Sprache und Buchstabengrösse, die auch bei den überzeugtesten Säufern der High Road noch ein leises Rauschen der Erkenntnis durch die gepökelten Gehirnzellen schicken dürfte, stand da geschrieben: «SALE 30% OFF».

Noch ging ich von einer zwar ungewöhnlichen, aber wohl marktgetriebenen Stilverstauchung aus, als ich den Laden betrat. Aber der Zustand des Neuheitentisches liess keine Verdrängung mehr zu. Denn statt Neuerscheinungen – die Biographie der grandiosen Exzentrikerin Lesley Blanch zum Beispiel, auf die hatte ich mich schon ziemlich gefreut – standen da nur noch Stapel von Ladenhütern und Schultexten.