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das kulturelle überformat
Nr. 23 / 14. April 2009
#Kolumne von Hanspeter Künzler, London
  5/6
gedankengang
Kolumne von Hanspeter Künzler, London

könne: «The Manual – How to have a number one the easy way». Das Buch war weniger ein Ratgeber als eine hochvergnügliche Persiflage. Den gimmickhaften Timelords entwuchs anfangs der 1990er Jahre die musikalisch solideren KLF. Zur Freude aller Dadaisten im Rockgeschäft mauserte sich die «Band» dank Hits wie «What Time is Love?», «3AM Eternal» und «Justified and Ancient» zur weltweit bestsellenden britischen Band von 1991.

Nun begann die perverse Popexpedition von Bill Drummond erst: An der Brit-Zeremonie, an der ihm der vermeintlicherweise karrierekrönende Award für beste Band des Jahres hätte übergeben werden sollen, verschreckte er das perlenbehangene Publikum mit einer Hardcore-Noise-Version von «3AM Enteranl», erklärte zum Abschluss «KLF have now left the music business» und parkierte als Adieu ein totes Schaf vor dem Hotel, in dem die Party stattfand. Jetzt wandte sich Drummond der Konzeptkunst zu. Dass er und Cauty auf der Insel Jura £ 1 Million verbrannt haben sollen, war der erste, schon ziemlich schockierende Konzept-Wurf. Das Auf und Ab seiner weiteren Aktionen – ein Protest gegen den Turner-Preis, eine abgebrochene Wanderung an den Nordpol, das Zerschnipseln einer Fotografie von Richard Long, allerhand Ehen etc. – kann in einer Serie von Büchern nachgelesen werden. In das eine oder andere habe auch ich mich vertieft – und bin jedes Mal mit einem kuriosen Nachgeschmack aus der traumartigen Lektüre erwacht: warum, so fragte ich mich, hatte ich mich einwickeln lassen von diesen narzisstisch angehauchten Geschichten darüber, wie einer alle paar Tage eine schräge These in die Luft stellt, um die (zugegebenermassen oft ziemlich lustigen) Versuche, sie in der Praxis auszutesten, zum künstlerischen Programm zu erheben?

Wie gesagt: Bill Drummond hat CDs, Vinylplatten, MDs und MP3s den Rücken gekehrt. Er fordert Musik, die etwas bedeutet, die uns emotionell anrührt, auch dann, wenn wir vom täglichen Musikregen, der auf uns einprasselt, längst durchweicht und ausgelaugt worden