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das kulturelle überformat
Nr. 23 / 14. April 2009
#Kolumne von Markus Schneider, Berlin
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gedankengang
Kolumne von Markus Schneider, Berlin

tendenziell auch von Rasse und Geschlecht hinaus. Stattdessen sei sie dem bürgerlichen Kunstbetrieb einverleibt. Als entweder klavierstundenhafte Demonstration handwerklicher, äh, Skills, die heute jede drittklassige Garagenband wesentlich versierter erscheinen liesse als Bands wie, sagte Diederichsen, The Troggs. Das zielte natürlich auf das ganze Revivalwesen und auf die jederzeitige freie Verfügbarkeit jedes Stils. Dabei würde zwar die Ästhetik jeweiliger Genres perfekt nachgebaut, aber eben ganz unhistorisch und ohne an die eigentliche Bedeutung zu rühren, an die jeweilige Kopplung von Modellen und Subgenres zwischen Glam, Punk, HipHop oder Techno an Renitenz, Dissidenz oder anderer Nichtanpassung und Identitäsverwerfung.

Eine zweite Variante bestehe in der Entwicklung einer Art Neo-Avantgarde, also Musik für tatsächliche oder reale Galerien. Die, wie etwa der sogenannte Weird Folk des Animal Collectives, bemühe zwar schön die Rhetorik von Aufbruchsmusiken seit Free Jazz, aber tue dies eben im geschützten, elitären Raum. Das natürlich umso betrüblicher, als es den Vorbild-Avantgarden ja gerade um die Abschaffung bildungsbürgerlicher Elitenräume gegangen war.

Soweit Diederichsen, der dies alles mit gebotener Heiterkeit vortrug, wie es ja schon seit seinen Tagen bei Sounds und Spex zu seinen grössten Tugenden gehörte, das Schwere lässig scheinen zu lassen und das Leichte immer jeglicher Banalität zu entkleiden. Wer ausser Diederichsen konnte schon 20-jährigen Post-Punk-Revoltierern klarmachen, dass es vollkommen unabdingbar für den Diskurs ist, die jeweils aktuellen Hip-Bands und -Künstlern grundsätzlich mit paar nicht minder hippen Theoretikern von Adorno über Lacan über Barthes zu Foucault zu erklären. Oder deren Kenntnis durch cooles Namedropping wenigstens gut zu faken. Ich habe neulich beim Aufräumen alter Dokumente eine Liste mit Büchern gefunden, die mir DD vor ungefähr 25 Jahren geschrieben