Anzeige
das kulturelle überformat
Nr. 23 / 14. April 2009
#Kolumne von Markus Schneider, Berlin
  4/5
gedankengang
Kolumne von Markus Schneider, Berlin

hat, als er kurz vor Weihnachten zwecks Berliner Vortragsreise in meiner Ofenheizungs-/ Aussenklo-Wohnung auf der Oranienstrasse übernachtete. Darauf auch: «Diedrich Diederichsen/ Markus Schneider (Hrsg.): Besserwisserei als Selbstabschaffung des Intellektuellen.»

Es kam nicht dazu. Stattdessen erledigt er heute postironisch gelassen noch die bestgedachte Popmusik als Nischenkunst. Immerhin sorgte er auf diese Weise für eine sportliche Diskussion zwischen den Kongressverantwortlichen, dem Volksbühnen-Musik-Kurator Christoph Gurk und dem Neuberliner Journalisten Tobi Müller aus der Schweiz, sowie der Musikwissenschaftlerin Sabine Sanio und dem Popchef der Berliner Zeitung, Jens Balzer. Die alle nicht so recht glauben wollten, dass es zwischen J-Pop, Emos und dem neuen US-Folk keine Jugendbewegung mehr gäbe, in der sich der junge Mensch an abweichenden, queeren, anarchischen, linken oder sonstwelchen, attraktiven Identitätsmodellen und Gegenrealitäten erproben könnte.

Übrigens leitete Diederichsen seine Thesen her von der Idee, die Popmusik seit den späten Fünfzigern sei ohnehin eine Erfindung am Ende der Kunst. Denn Pop markiere den Punkt, an dem nicht mehr der beckettsche Sinnverlust und Finismus die Charaktere auf der Bühne bilde. Sondern im Gegenteil die grotesken Figuren des Becketttheaters selbst Kunst zu produzieren anfingen.

Mir hat dieser Gedanke ausnehmend gut gefallen und ich musste an ihn denken, als das Club-Restaurant White Trash, eine Art Disney-World für Trash-Fans, zu einem Gedenkabend für den 91 verstorbenen Serge Gainsbourg aufrief, der am 2. April 81 geworden wäre. Gainsbourg sah zu Lebzeiten aus wie ein trunksüchtiger Leguan, und auch wenn man nicht alles gut finden braucht, was er so getan hat, so muss man doch immer gut finden, dass er es getan hat – und darf ihn durchaus um die Frauen beneiden, mit