Anzeige
das kulturelle überformat
Nr. 29 / 21. Dezember 2009
#Interview mit Owen Pallett
  4/8
musik
Interview mit Owen Pallett

Popmusik beeinflusst wie von Gegenwartskomponisten. Heute spüre ich keine starke Verbindung zur klassischen Musikgemeinde. Ich gehe zwar gern an Konzerte, versuche mitzuverfolgen, was sich in der Gegenwartsszene abspielt. Aber die Popwelt zieht mich mehr an. Ich habe mich nie als ein klassischer Musiker verstanden. Es erschreckt mich ein bisschen, dass ich damit in Verbindung gebracht werde, nur weil ich eben Geige spiele und das Konservatorium besucht habe. Es stimmt schon, ich habe in den letzten Jahren ein paar Mal versucht, Stücke zu komponieren, die als Gegenwartsmusik hätten gelten können. Aber sie sind mir jämmerlich missraten.

Ihre Verwendung von ineinander verflochtenen Melodiesträngen und Dissonanzen sind höchst unüblich im Umfeld der Popmusik. Andererseits gehören sie in der Gegenwartsmusik zum Alltag.

Die heutige Gegenwartsmusik tendiert eher in Richtung Tapetenmusik. Die heutigen Komponisten zeigen im grossen Ganzen immer weniger modernistische Tendenzen. Ich mag das durchaus, aber sogar die Musik eines Arvo Pärt ist vor allem sehr, sehr hübsch und eingeschränkt. Es ist eine Art neuer Impressionismus. Ganz schön eigentlich, und strikte tonal. Ich allerdings bin eher dem Post-Modernismus verbunden. Da kommen die meisten von meinen Einflüssen her.

Können Sie ein paar Namen nennen?

Kann ich nicht. Denn ich glaube nicht, dass es vielen Komponisten gelungen ist, das Denken der Postmoderne erfolgreich in die Musik umzusetzen. An der Universität wurde uns Alfred Schnittke als Repräsentant der Postmoderne vorgestellt. In meinen Augen hat er aber die Theorien von Jean-François Lyotard (Namensgeber und massgeblicher Theoretiker der Postmoderne, Anm. der Red.) ziemlich schlecht umgesetzt. Es wurde uns zum Beispiel Schnittkes Symphonie präsentiert, die ein Schnappschuss des 20. Jahrhunderts hätte sein sollen. Dafür nutzte als Elemente wie Jazz, Rock, Big Band, Punk und all die anderen Dinge und stellte sie nebeneinander. In meinen Augen verfehlte das komplett den Kern der Sache. In der Postmoderne geht es vor allem einmal um eine Re-Konzeptualisierung. Es geht nicht darum, sich in eine Konzerthalle zu begeben und das Stück in sich aufzunehmen, als würde man die Resultate einer Umfrage lesen. Es geht darum, sich in einen Jazzklub oder einen Punk-Klub zu begeben, es geht um die verschiedenen Wege, wie Musik genossen werden kann. Heute lernt man neue Musik kennen, wenn man im Kino die Jeans-Werbung sieht. Oder man begegnet neuer Musik beim Surfen auf dem Laptop. Ich hatte erst letzthin ein unglaubliches Erlebnis in dieser Richtung. Bis dahin hatte ich Feist zwar zu respektieren gewusst, aber wirklich berührt