Die Karten sind das wichtigste Werkzeug der Literaturgeographie. Dank ihnen kann erstmals gezeigt werden, wie der Geo- und der Textraum übereinander liegen, wo sich die Ballungszentren der Literatur befinden, in welcher Region Europas am meisten Romane spielen oder welche Landstriche Europas gänzlich unliterarisiert sind. Piatti ist überzeugt, dass sowohl Forscher und Literaturkritiker als auch literaturbegeisterte Laien vom Atlas profitieren können. «Es entspricht schlicht nicht unserem Lesebedürfnis, Fiktionen ohne jeglichen Bezug zur Wirklichkeit zu betrachten.» Oder pointierter ausgedrückt: «Karten sind wahrscheinlich die wichtigste Form, die der Mensch sich geschaffen hat, dem Horror vacui zu entgehen» (Karl Schlögel).
Das Ziel, das Piatti mit dem Literaturatlas erreichen will, ist ehrgeizig. «Die eigentliche Forschungsvision ist eine neuartige, räumlich strukturierte und kartographisch unterstützte Literaturgeschichte Europas, die bestehende Landes- und Sprachgrenzen überwindet.» Herzstück des Projekts ist eine ausgeklügelte Datenbank: Die Forscher tragen die literarischen Handlungsräume in eine Online-Datenmaske ein, worauf ein eigens dafür entwickeltes Programm eine Karte fabriziert – dabei müssen die Literaturgeographen jedoch unterscheiden, ob der Ort real oder imaginär ist, oder ob er etwa im Werk umbenannt wurde.
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