In der Kommunikation über Internet, E-Mail oder Handy spielt die Geographie keine Rolle mehr. Ob man sich bei einem Freund in New York, Wladiwostok oder Bern meldet – Zeit wird gleich viel benötigt. Dennoch wird der geographische Raum nicht hinfällig. «Man darf die Tatsache nicht übersehen, dass die Menschen noch immer in einer materiellen Welt leben», sagen die Netz-Kartografen Martin Dodge und Rob Kitchin, die einen Cyberspace-Atlas verfasst haben. Ausdruck davon ist – gerade in der Schweiz – der derzeitige Wander-Boom. Wie der Verband Schweizer Wanderwege unlängst mitteilte, ist das Wandern hierzulande eine der am stärksten wachsenden Bewegungsformen.
Im anbrechenden «Zeitalter des Raums», das laut Foucault geprägt ist von der «Gleichzeitigkeit, dem Aneinanderreihen, dem Nahen und Fernen, dem Nebeneinander und dem Zerstreuten», verspürt der Mensch offenbar den Drang, den geographischen Raum und dessen ureigene Topographie körperlich zu erfahren, und zwar Schritt auf Tritt. Diese neue Lust am realen Raum – eine eigentliche Topophilie – hat jüngst auch die Literaturwissenschaftler ergriffen: Vermehrt erforschen sie die kulturellen Konstruktionen von Räumen unter Einbezug anderer Wissenschaften, so der Kartografie. Bereits weit fortgeschritten ist das Projekt des literarischen Atlas Europas, den die Schweizer Literaturwissenschaftlerin Barbara Piatti zurzeit mit Kartografen an der ETH Zürich sowie mit Forschungspartnern an der Georg-August-Universität Göttingen und der Karls-Universität in Prag entwickelt.