«Nevermind» schaffte es, hochoktanigen, punkig angehauchten Rock zu kredenzen, der genügend «Gewicht» hatte, dass sich die angestammten Fans nicht über die ungewohnt popigen Ohrwurmmelodien beschwerten. Genau diese Ohrwürmer waren es, die darüber hinaus ein Publikum anlockten, welches sich bis dahin nie besonders um Gitarren gekümmert hatte. Die Texte von Sänger Kurt Cobain schafften es zudem, den fundamentalen Lebensfrust solcher Zeitgenossen auf den Punkt zu bringen, die den Konsumwahn und die Konsequenzen der freien Marktwirtschaft, die mit Ronald Reagan einhergekommen waren, nicht akzeptieren wollten, im zeitgenössischen Amerika aber keine Möglichkeit zum Ausscheren sahen.
Nirvana bediente sich einer ähnlichen Laut-Leise-Laut-Leise-Dynamik, wie sie von den Pixies einige Jahre vorher patentiert worden war. Gegenüber den Pixies und auch Dinosaur Jr., die eine ähnliche Fusion von Feedback und Ohrwurm kreiert hatten, genossen Nirvana den beträchtlichen Vorteil, dass sie mit Kurt Cobain über einen photogenen Leader verfügten, der im Gegensatz zu Frank Black (Pixies) und J. Mascis (Dinosaur Jr.) nie zögerte, sein intensives Gefühlsleben nach aussen zu kehren. Die Live-Konzerte waren spektakuläre Ereignisse, bei denen oft Instrumente und sogar Köpfe in Brüche gingen. Cobain, das war allen klar, wurde vom oft selbstzerstörerischen – um nicht zu sagen puerilen – Impuls getrieben, all seinen Gefühlen jederzeit vollen Lauf lassen zu müssen. Dass er sich dabei oft selber widersprach, am einen Tag etwas ganz anderes sagte als er am nächsten Tag, machte diesen komplexen Mann nur noch attraktiver für ein Publikum, das wohl noch nie ein Pop-Idol erlebt hatte, das mit Haut und Haar Mensch statt maniküriertes MTV-Model war. Hier war ein Star, der sich gegen das durch und durch von Marketing-Konzepten regierte Amerika wehrte, indem er ohne Rücksicht auf Verluste in der unschön schönen Tradition von Janis Joplin, Jimi Hendrix und Tim