Und Grunge passte perfekt zu England, wo Gitarren angesichts des Acid House-Boomes und von Trip-Hop gerade arg untendurch mussten. «Während ihrer Europatournee schafften es Nirvana, ihren Tour-Bus anzuzünden, The Pogues und The Ramones zu ärgern, in den Champagnerkübel von Ride zu pissen und beinahe von der Plattenfirma geschasst zu werden», schrieb True im November 1991. Kurzum: Nirvana sei die einzige Band, die noch wisse, was Rock’n’Roll sei.
1991 hatte sich schon einiges geändert in Seattle. Die Präsenz der Firma Microsoft – 1979 war sie von Albuquerque hierher gezogen – machte sich jetzt bemerkbar. Die Bevölkerung nahm zu, man sprach von einem wirtschaftlichen Boom, die Stadt stand im Rampenlicht. Und SubPop genoss den Ruf, das coolste Indie-Label in ganz Amerika zu sein. Dabei hatte es arg zu kämpfen mit dem altbekannten Problem aller erfolgreichen Indie-Labels: seine dicksten Fische wurden gnadenlos von den Plattenmultis abgeworben. Pearl Jam, besetzt von alten SubPop-Bekannten, gingen von Anfang an zu Epic, Soundgarden waren nun bei A&M – und Nirvana wurden nach dem Debüt-Album «Bleach» (noch heute das sich am besten verkaufende SubPop-Album) von Geffen abgeworben – immerhin war SubPop am Nirvana-Erfolg bei Geffen finanziell beteiligt.
Am 27. August 1991 erschien «Ten», das Debütalbum von Pearl Jam, am 24. September folgte «Nevermind» von Nirvana. Beide Alben klingen nicht annähernd nach dem DIY-Sound, der den frühen Seattle-Geist gekennzeichnet hatte. Man versprach sich von den beiden Platten solide Verkaufsziffern in Universitätsstädten und sonstigen Hochburgen des Alternativ-Rock. Dann kam alles anders. Allein von «Nevermind» wurden in den USA innert sechs Monaten drei Millionen Exemplare verkauft. Bezeichnenderweise löste das Album an der Chartspitze Michael Jackson mit «Dangerous» ab.