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das kulturelle überformat
Nr. 27 / 15. September 2009
#Interview Eddie Vedder, Pearl Jam
  7/9
dossier: Grunge
Interview Eddie Vedder, Pearl Jam

auch Bands, die das Problem einfach nicht für besonders wichtig erachteten. Unser Standpunkt war der: wenn wir jetzt nichts unternehmen, wird es nur noch schlimmer werden. Und die Zeit hat uns Recht gegeben.

Dabei gab sich die Seattle-Szene damals lautstark als Alternative, als eine Kraft, die
sich gegen das Kalkül der Konzerne auflehnte und für einen aufrichtigen künstlerischen Ausdruck eintrat.

Ich kann nur für uns selber sprechen. Aber es ist schon so, dass auch die Texte zum Beispiel von Nirvana echte Gefühle ausgedrückt haben. Das war ohne Zweifel «the real stuff», um den es da ging. Unsere Motive waren reiner Natur – besonders, wenn man sie mit der Musik kontrastierte, welche während den vorangegangenen zehn Jahren den Äther verseucht hatte.

Sie meinen die kalifornischen Pudelrocker und Konsorten, oder?


(lacht) Selber könnte ich so etwas natürlich nicht sagen! Aber vielleicht war das der Kern der Sache. Wir hielten unsere Musik für rein und wir wollten nicht, dass sie von aussen verdreckt werden würde. Und, hey, auf einmal machten wir alle den grossen Profit – Profit, mit dem wir nie gerechnet hätten. Für einige von uns reichte dieser Profit plötzlich nicht mehr aus, sie wollten mehr und mehr. Unsere

natürliche Reaktion darauf war die, dass wir sagten: «Wait! Wait! Wer diese Musik ausbeutet, beutet mehr aus als nur ein Stück Popmusik. In dieser Musik geht es um unser Inneres.»

Sie lebten in San Diego, als Sie von Jeff Ament und Stone Gossard zur Vorsingprobe nach Seattle eingeladen wurden. Was haben Sie für Erinnerungen an den Tag?

Ich hatte damals schon hart gearbeitet für meine Musik. Ich war damals seit mindestens 46 Jahren (schmunzelt) schon bei einer Tankstelle in San Diego als Nachtwächter angestellt. Während der restlichen Zeit spielte ich Musik so viel es nur ging. Ich hatte meine kleine Band, ich schrieb meine Songs. Das war meine Realität, und ich hatte keinerlei Erwartungen, als ich nach Seattle flog. Es war halt eine weitere Gelegenheit, Musik zu machen. Das war im Oktober 1989 – oder war’s 1990? Ich weiss es nicht mehr.

War es Liebe auf den ersten Blick?

(lacht) Vielleicht Liebe auf den ersten Ton! Auf jeden Fall war die Haltung, die Stone und Jeff an den Tag legten, neu für mich. In meinen eigenen Bands war ich immer irgendwie der einzige gewesen, der darin eine realistische Chance witterte. Hier nun erkannte ich, dass eine ganz andere Motivationskraft am Werk war.