vertreten hatte. Wie eine Masse von homophoben Rap- und Dancehall-Reggae- Lyrics heute noch zeigt, steht er bei weitem nicht allein da mit seiner Haltung. In der Tat verfochten besonders die militanteren Führer der schwarzen amerikanischen Bürgerrechtsbewegung Theorien über die Sexualität, die dem vermeintlicherweise freiheitlichen Geist der Sixties diametral widersprachen. Das Thema ist komplex und mit vielen Fallgruben ausgestattet. Es ist jedoch nicht von der Hand zu weisen, dass die Black Power-Bewegung die Homosexualität nicht sehr viel anders anschaute als die Zeugen Jehovas, nur witterten sie darüber hinaus einen rassistischen Komplott. So griff der Black Panther-Leader Eldrige Cleaver in seinem Buch «Soul on Ice» den Schriftsteller James Baldwin wegen seiner Homosexualität schwer an. Er erklärte, diese sei die extremste Äusserung eines «rassischen Todeswunsches». Von der Aussage führt ein gerader Weg zum Rapper Ice Cube, der sagte: «Real niggers ain’t gay». Die Haltung beschränkte sich nicht nur auf die radikale Polit-Szene. Der amerikanische Soziologe Calvin C. Hernton hielt sich in den sechziger Jahren in England auf. Dabei fiel ihm die légère britische Haltung der Homosexualität gegenüber negativ auf. «Die homosexuelle Lust auf farbige Männer und Frauen …», schrieb er in seinem Standardwerk «Sex and Racism in America» (1965), «ist nichts weniger als ein Versuch, den schwarzen Mann zu
kastrieren und die schwarze Frau zur Stute zu degradieren …» Die Meinung, Homosexualität existiere in Afrika nicht und das zeige, dass sie eine Erfindung der dekadenten weissen Kultur sei, gehört noch heute zum Grundrepertoire vieler afroamerikanischer Sozialtheoretiker und ist als Vorurteil auch sonst weit verbreitet. Schliesslich ist auch nicht zu vergessen, dass es im amerikanischen Unterhaltungsgeschäft auch nach Elton John noch als potentiellerweise äusserst karriereschädigend galt, sich zu outen. Kurzum: Sollte Michael Jackson als Teenager auch nur das leiseste Zucken einer homosexuellen Regung in den Lenden verspürt haben, wird er gut daran getan haben, es vor seiner Familie tunlichst zu verstecken. Wie immer er die Sache mit dem Sex aber drehte, es gab keine Form, in welcher er seine Gelüste hätte ausleben können, ohne damit gegen die Überzeugung von Katherine, von seinem Vater oder gar von den Zeugen Jehovas zu verstossen. Es sei denn, er hätte geheiratet. Aber auch das ging nicht. Denn damit hätte er – wie seine Reaktion auf die Heiratsankündigung von Tito zeigte – in seinen eigenen Augen die Fans verraten. Ihnen und seiner Vision vom perfekten Popstar schuldete er es, den Nimbus des makellosen Märchenprinzen aufrechtzuerhalten. Sowieso, wen hätte er auch heiraten können? Er kannte ja niemanden. Vielleicht war es angesichts all dieser Gewissensfragen und anderen Komplikationen am einfachsten, Sex in all seinen Spielarten so total wie möglich aus