Heroin bestraft. Der amerikanische Produzent Joe Boyd berichtet, er sei damals nach London gezogen, weil die kommunale Aufbruchstimmung dort wesentlich komplexere und musikalisch interessantere Resultate hervorgebracht habe.
Schöngeister und Archäologen
Den Briten kamen die relativ kleinen Ausmasse ihres Landes zu Hilfe: es dauerte lang und bedurfte enorm viel Arbeit, den Ruf eines Aussenseiters über ganz Amerika zu verbreiten. In Grossbritannien war eine landesweite Tournee einfach zu organisieren. Dazu gehörte die Lektüre einer wöchentlichen (Underground-) Musikpresse zum guten Ton. Auch Grossbritannien brachte eine lange Reihe von einflussreichen singenden Songschreibern hervor. Cat Stevens, der schöne Grieche mit den lapidaren Lebensweisheiten, und Donovan, der Barfuss-Hippie mit den Sternchen in den Augen und den Feen im Haar, der kurz als der englische Dylan gehandelt wurde, erfreuten sich globalen Hitparadenerfolges. Alben wie «Solid Air» und «Stormbringer» gehören zu den innovativsten Werken des Genres – aber jedes Mal wenn ihr Schöpfer John Martyn knapp vor dem Durchbruch zu stehen schien, gönnte er sich einen neuerlichen Stilwandel, der die neuen Fans gleich wieder vertrieb. Ähnlich unverdrossen ging Richard Thompson seine eigenen Wege – seine im englischen Folk verwurzelte Muse hat das britische Befinden so treffend festgehalten wie Ray Davies von The Kinks. Gerade sind die britischen Musikhistoriker, Musiksammler und Re-Release-Plattenfirmen im grossen Stil daran, die Singer/Songwriter jener fernen Tage neu zu erschliessen. Dabei sind über Nick Drake, Vashti Bunyan und Shelagh McDonald hinaus noch viele andere Künstler aus dem Unterholz der Geschichte geholt worden, die damals nur beschränkt – und nur in Grossbritannien – Beachtung fanden. In ihrer stilistischen Vielfalt zeichnen sie das Bild einer facettenreichen Szene. Eine kurze Liste: Dave Evans, G. F. Fitzgerald, Duncan Browne, Keith Christmas, Beau, Bridget St. John.