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das kulturelle überformat
Nr. 5 / 31. Mai 2007
#Interview mit Rufus Wainwright
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dossier: Singer/Songwriter
Interview mit Rufus Wainwright

Ich habe auch schon Ihre Schwester Martha getroffen und im Gespräch den Eindruck bekommen, dass Sie sich gegenseitig starke Stützen waren.

Ja. Heute stimmt das. Es brauchte aber harte Arbeit, soweit zu kommen. Wir sind beide sehr ehrgeizig, und als Teenager waren wir äusserst eifersüchtig auf das Talent des anderen. Ich glaube, meine Schwester war besonders eifersüchtig auf die Beachtung, die mir unsere Mutter schenkte. Wir waren unzertrennlich, Mutter und ich. Ich andererseits war eifersüchtig auf Marthas Eigenwilligkeit. Sie zögerte keinen Moment, wenn es darum ging, «fuck off!» zu brüllen und aus dem Haus zu stampfen, um sich mit ihren Teenage- Freundinnen herumzutollen, während ich schön brav daheim blieb, um mit der Mutter Stephen-Foster-Songs zu spielen. Später, als meine erste Platte erschien und sie ständig Konzerte gab, aber nichts passierte, spürte sie einen enormen Druck, mit meiner Karriere Schritt zu halten. Ich dagegen sah, wie sie auf die Bühne trat mit dieser unglaublichen Stimme und dieser unglaublichen, femininen Präsenz. Meine Schwester ist eine ungemein starke Frau. Und sie hat eine Stimme wie eine Atombombe. Darüber war ich dann wieder eifersüchtig. Aber über die Jahre hinweg haben wir einen diplomatischen und gegenseitigen Respekt für einander entwickelt. Aus Angst wahrscheinlich. Wenn wir den Respekt nicht hätten, würden wir uns gegenseitig zerstören.

Dieser Ehrgeiz und dieses Konkurrenzdenken tauchen auch in den Geschichten über Ihre Eltern, Loudon und Kate, immer wieder auf. Warum glauben Sie ist dies so ausgeprägt?

Meiner Meinung nach hängt es mit der Macht der Technologie zusammen. Wenn man mal ein Mikrophon vor die Nase eines Singer/ Songwriters gestellt hat und dann sieht er sich auf einer 12 Meter hohen Projektionswand im Kino, dann flösst das doch ziemlich Ehrfurcht ein, und es wird für den Künstler zu einer Art Droge, sich so zu sehen. Wenn es dann plötzlich nicht mehr läuft, ist es wie ein Drogenentzug. Meine Eltern haben dies erlebt. Mein Vater hatte einen Nummer- Eins- Hit, doch dann kam Disco und seine Folk-Musik war aus der Mode. Das war eine traumatische Erfahrung für ihn. Martha und ich sind mit den Folgen davon aufgewachsen. Es liegt in der Natur des Showbusiness.

Sie haben letzthin erklärt, eines Ihrer Ziele sei, künftig als grosser Sänger, nicht nur als guter Songschreiber bekannt zu sein. Wie hat das die Arbeit am neuen Album beeinflusst?

Aus diesem Grund habe ich das Judy- Garland- Projekt auf die Beine gestellt, bei dem ich ihr famoses Konzert von 1961 in der Carnegie Hall in New York, sowie in London und Paris notengetreu nachgesungen habe. Ich wollte mich damit als Sänger, als Interpret von Liedern anderer Komponisten etablieren.