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das kulturelle überformat
Nr. 31 / 30. April 2010
#Don DeLillo
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literatur
Don DeLillo

Nun sitzt der alte Mann irgendwo in der Wüste im Südwesten der USA, fernab von Kriegen, von Menschen und von der Schnelllebigkeit der Städte, in denen die Sekunden und damit das Leben einem förmlich vor den Augen verstreichen. «Irgendwann wird der Tag zur Nach, aber es hat mit Licht und Dunkel zu tun, nicht mit dem Vergehen der Zeit, der sterblichen Zeit.» Diese und andere Einsichten erzählt der alte Mann seinem einzigen Besucher. Der heisst Jim Finley und ist ein junger Filmemacher, der sich in den Kopf gesetzt hat, mit Elster einen Dokumentarfilm zu drehen. Zu sehen sein soll bloss eine Wand in einer einzigen starren Einstellung, und davor er, Elster, von seinem Leben, seinen Ideen, vom Krieg in seinem Kopf berichtend.

Es ist ein Kammerspiel, das Don DeLillo hier in einer unglaublich konzentrierten Form inszeniert. Zwei Männer und um sie herum das Nichts. Als ob sie in ein Standbild geraten wären. Stilistisch erinnert diese Situation an DeLillos ebenso schmales Buch «The Body Artist» («Körperzeit», 2001), in dem sich während einer Frühstücksszene die Zeit zu einem Stillleben verfestigt. Oder an «Cosmopolis» von 2003, in dem sich im Kopf eines Mannes, der im Verkehr steckengeblieben ist, die Welt in seinen Gedanken öffnet. So gekonnt er in «Underworld» («Unterwelt», 1999) oder früheren Werken wie «Libra» («Sieben Sekunden», 1988) oder «Mao II» (1991) ausufernd über seine immer wiederkehrenden Themen von Verlust und dem Misstrauen gegenüber den Mächtigen und Regierenden philosophieren konnte, so verknappt präsentiert er nun die Essenz. «Der Omega Punkt» ist ein Haiku-Roman, aber mit der Intensität eines schwarzen Lochs.