Es versteht sich schon aus erzählökonomischen Gründen, dass keiner der vier ein irgendwie persönliches, privates Leben hat. Es gibt ein paar kurze Frauenansichten und sogar eine Exfreundin Delons (die ihn freilich für seinen ehrlosen Boss verlassen hat), aber zumindest gefühlsmässig scheint es, als gebe es nicht nur im engeren Figurenumfeld keine Frauen, sondern – als letzte formalistische Konsequenz – überhaupt nirgends.
Während der Film sich mit entschlossener Ruhe entwickelt, erkennt man immer mehr, dass die vier Helden weit jenseits von persönlicher Trauer in einem Universum grundsätzlicher Melancholie existieren und ähnlich wie der Film selbst vor allem durch ihre Ehrencodes und Rituale leben. Am Ende bringt es Montand auf den Punkt, als er auf seinen Anteil verzichtet und sogar mit den beiden anderen untergeht, weil sie ihm durch die Arbeitsherausforderung geholfen haben, seine Ehre wieder herzustellen und dem Alkohol zu entkommen.
«Le Cercle rouge» war übrigens in Frankreich angeblich Melvilles erfolgreichster Film, was für ein beneidenswert filmerzogenes Publikum spricht. Denn es ist gewiss nicht der karge Plot, der die Schönheit dieses Films ausmacht, der Melvilles zwölfter und vorletzter war. 1972, im Jahr vor seinem Tod, folgte noch «Le flic», dort mit Delon als melancholischem Cop. Doch zumindest was die Selbstsicherheit, die Cool-Jazz-artige Eleganz der Erzählung und Atmosphäre angeht, könnte man die Filmkarriere Melvilles hier vollendet finden.
Markus Schneider
«Le Cercle rouge» (Frankreich 1970). Regie und Drehbuch: Jean-Pierre Melville. Kamera: Henri Decaë. Mit: Alain Delon (Corey), Yves Montand (Jansen), Gian-Maria Volonté (Vogel), André Bourvil (Mattei)
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