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das kulturelle überformat
Nr. 23 / 14. April 2009
#Kolumne von Hanspeter Künzler, London
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gedankengang
Kolumne von Hanspeter Künzler, London

Popgeschichte zu stellen. Am Abend sollte Drummond seine Theorie in die Praxis umsetzen, sprich: mit Besuchern des Festivals ein neues Stück aufnehmen, welches um ein Uhr früh seine Uraufführung erleben würde.

Ich muss zugeben, dass ich Drummond bis an diesem Samstag für ein typisches Exempel einer bestimmten Art von britischem Schlitzohr gehalten hatte. Die Art von Schlitzohr, der es gelingt, uns kraft ihres unglaublichen Charmes die eigentümlichsten Gelüste einzureden und – noch wichtiger – das Produkt zu verkaufen, das diese Gelüste stillt, lang bevor wir ihrer kompletten Absurdität bewusst geworden sind. Früher wären Menschen mit diesem Talent Marktschreier, Hausierer, Erfinder, Zauberer oder Beamte geworden (mit Gelüsten gehen ja immer auch Verbote einher). Heute werden sie Werbeleute, Popstars und Konzeptkünstler. Drummond ist alle drei. Einmal war er der erfolgreichste Popstar der Welt – heute ist er Werbemann in eigener Sache sowie eben auch Konzeptkünstler. Mystisch veranlagte Seelen wären wohl geneigt, in dieser Dreieinigkeit Parallelen zu sehen – zur geheimen Mystikergesellschaft der Rosenkreuzer zum Beispiel, und ihrer dreiteiligen kabbalistischen, hermetischen und alchemistischen Basistheorie. Tatsächlich kann Drummond mit Sprüchen kommen, denen eine leicht mystische Aura anhaftet (nicht zuletzt dann, wenn er von Landschaften redet, von alten Steinen, von Fussmärschen über die Felder von Island und von den Werken des Land Art-Künstlers Richard Long).

Persönlich neigte ich zur Ansicht, dass Drummond ein schlauer, tangentieller Denker ist, ganz im Stil von Brian Eno – und dazu ein genialischer Medienmanipulator, der es immer wieder versteht, ein staunendes Publikum davon zu überzeugen, es müsse auch noch seinen hanebüchensten Meinungen und Theorien lauschen wie einem Orakel. Ja, ein bisschen ist er mir sogar vorgekommen wie ein supercooler Sektenführer, der es versteht, Spott in einen Vorteil