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das kulturelle überformat
Nr. 21 / 9. Februar 2009
#Kolumne von Hanspeter Künzler, London
  4/5
gedankengang
Kolumne von Hanspeter Künzler, London

über lange Strecken eine Posaune. Das war kein Gag, die weichen Töne dieses eigenwilligen und leicht komisch wirkenden Instrumentes schmiegten sich um die schwerelosen Gesänge wie ein samtener Morgenrock. Musik spreche eine internationale Sprache, lautet ein Klischee, das auch Bob Marley selig immer wieder in päpstlicher Manier über die Häupter seiner Betgemeinde sträuselte. Schon, ja, aber das Konzept ist in den letzten Jahren im Zeichen der globalisierten Unterhaltungsindustrie erheblich strapaziert worden. Marley verstand es, eine Lokalmusik so in die Welt hinaus zu tragen, dass selbst ein Glarner Ziger-Hersteller ein bisschen das Gefühl bekam, er könne am Lebensgeist der West Indies teilhaben und daraus den Hauch eines Ganja*-Räuchleins für die eigenen Zwecke abzweigen. Die moderne Unterhaltungsindustrie andererseits setzt alles daran, im Zeichen der Effizienz Musik zu verkaufen, die überall hätte entstanden sein können. Lokalkolorit ist hier zur Kosmetik verkommen. Und das war beim Sophie Hunger-Konzert so ganz anders – so erhebend und so befreiend. Gegen den Schluss hin sagte sie es selber: sie liebe Zürich mit Leib und Seele, und sie freue sich jedes Mal, wenn sie nach Zürich zurückkäme. Das spürt man auch aus der Musik heraus.

Es liegt mir fürwahr fern, irgendwelche esoterische Theorien aufstellen zu wollen. Aber die Tatsache, dass es mir in diesem Konzert zu allererst einmal unglaublich wohl war, hat meinem Gefühl nach weniger damit zu tun, dass ich die Lieder und die Sängerin toll gefunden hätte, sondern damit, dass mir die Art der Lieder, ihre kuriosen Schlenker, der verspielte Einsatz der Stimme, das Hin und Her zwischen den Sprachen, der Humor (zum Schluss, als die Lichter schon angegangen waren, kam die Künstlerin auf die Bühne zurück und verlas einen bös-lustigen Brief an Madonna), die Posaune – all das sprach mir aus der Zürcher Lokalseele, es passte wie der unsichtbare Pullover, mit dem man aufgewachsen ist. Nur haftet an Hungers Musik kein bisschen Nostalgie. Das ist durch und durch neue Musik – aber eben Musik aus Zürich, Musik,












*In Jamaika wird Marihuana
auch als Ganja, dem
indischen Wort für Hanf,
bezeichnet.