die in London so nie und nimmer entstanden wäre, geschweige denn in den Studios von Los Angeles. Für Sophie Hunger können jetzt, glaube ich, zwei Dinge passieren. Entweder das Publikum im Ausland weiss das Lokale, «andere» an ihrer Muse zu schätzen und heisst es willkommen, ähnlich, wie man damals Björk als Aussenposten von Island zu schätzen lernte. Oder sie wird vom angelsächsischen Popdiktat wie tausende von anderen «Lokalgrössen» als allzu «eigenartig» erachtet, als zu originell (um eine positive Perspektive einzunehmen), als dass sie ohne grössere Kämpfe gewinnbringend im globalen McSchmelztiegel untergebracht werden könnte. Sie könnte dann quasi eine Zürcher Version von Hans Söllner werden, dem Reggae-Star, der in Bayern das Volk zu tausenden in die Hallen lockt, anderswo aber Kontaktschwierigkeiten bekundet.

Ich hoffe es nicht. Ich hoffe auch nicht, dass Sophie Hunger bei ihren Auftritten im Ausland vergisst, zu sagen, dass sie aus Zürich komme. Ganz recht, Herkunft und Ursprünge verschwimmen in der Aera des Sampling und des Internet. Punk aus Pakistan, Reggae aus Rumänian und Jodeln aus Jordanien – alles kann von überall her kommen, und oft ist mir das auch egal, genauso wie beim Curry. Aber manchmal ist es doch wichtig, woher jemand kommt. Als zum Beispiel Yello mit ihrer ur-zürcherischen und doch weltmännischen Art von Elektronika in die Welt hinaus gingen, veränderten sie dort nicht zuletzt mit ihrem smarten Humor das Bild, das man sich über die Gnomen von Zürich dort bis dahin gemacht hatte. Damit verschafften sie den Daheimgebliebenen internationales Gehör. Genau dadurch, dass sie ihre Herkunft zum Stil machten, ihren Akzent in den Vordergrund stellten, statt ihn zu verdecken, ernteten sie sich das Mitspracherecht auf globaler Ebene. Und deswegen komme ich immer wieder nach Zürich: weil ich in London noch nicht genug davon spüre.

Hanspeter Künzler