Der Januar oder eine kleine Reise durchs Empire
Gerade bin ich ziemlich im Land herum gekommen. So genoss ich am Neujahrstag ein Fussballspiel in Bristol. Es folgte ein Wochenende in Liverpool, wo man sich ja dieses Jahr offiziell «European Capital of Culture» schimpfen darf. Eine Tagesreise brachte mich nach Taunton, wo die Buchhalterin sehnlich auf meine Abrechnungen und Spesenquittungen wartete, weil Ende Januar alles bei den Steuerbehörden abgeliefert sein musste. Es folgte ein Wochenende mit Freunden in Bradford-upon-Avon, und schliesslich noch ein Besuch beim Göttibub der Queen persönlich, dem Earl of Carnarvon, der in den grünen Auen von Newbury ein Haus bewohnt, von dem er sich nicht sicher ist, ob es über zweihundert oder dreihundert Räume verfügt.
Solche Reislein ins restliche Britannien sind für einen Londoner immer wieder veritable «eye-opener». Angesichts der unendlichen Ausdehnung von London ist es nämlich nur allzu leicht, den Fehler zu machen, die Stadt mit dem ganzen Land zu verwechseln. Aber oh weh, der Kulturschock, wenn wir mit der Wahrheit konfrontiert werden! Taunton zum Beispiel: gemäss Atlas ein Städtchen mitten im grünen County Somerset, das bekannt ist für Cricket, Apfelbäume und sauren Most – «Scrumpy». In Wirklichkeit ein Haufen Immobilien wie aus dem Katalog eines Fertigbauherstellers. Sogar die munizipale Website weiss keine charmanteren Sehenswürdigkeiten anzupreisen als den Kirchenpark mit Viet-Nam-Denkmal sowie zwei Business-Pärke, die man aus früheren Apfelhainen hervorgezaubert hat. Das Zentrum von Taunton ist von einer Renovationswelle, die offensichtlich in den Seventies begann, jeglichen Charakters beraubt worden: jeder Shop Teil einer landesweiten Kette. Eine einzige Ausnahme fällt auf: das Nest verfügt über ein ausserordentlich dichtes Netz von Reizwäsche- und Adult Entertainment-Shops.