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das kulturelle überformat
Nr. 11 / 5. Februar 2008
#Kolumne von Markus Schneider, Berlin
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gedankengang
Kolumne von Markus Schneider, Berlin

Eigenheiten hat und bereits die Idee von Menschgeruch ablehnt. Das sollte den nunmehr siegreichen Nichtrauchern zu denken und bitte auch ein Beispiel geben.

Wenigstens gibt es jetzt nicht mehr die lächerlichen Passivrauchhypochonder, die demonstrativ Grimassen zogen und zu fuchteln begannen, sobald wer wo rauchte. So arme Wichte wie der Wiesbadener Irre, der unseren knorrigen Altkanzler Helmut Schmidt, eine der wenigen coolen Figuren der deutschen Nachkriegspolitik, anzeigte, weil der 89-Jährige sich mit seiner klugen und sympathischen Frau eine Zigarette in einem Hamburger Theaterfoyer gegönnt hatte. Der Mann «kämpft», so offenbar seine Selbsteinschätzung, seit 20 Jahren gegen das Rauchen, was bei mir die deprimierende Vorstellung auslöst, dass da einer sein kostbares Leben daran verschwendet, Petitionen und Leserbriefe zu schreiben, während in den Bars und ICE-Bistros, in Theaterkneipen und auf Konzerten die versammmelten Nikotinsüchtigen feierten und tranken und rauchten, was das Zeug hielt.

Solche griesgrämigen Nichtraucher werden nunmehr zwar drinnen nicht mehr eingedampft. Der Spass jedoch findet jetzt vor den Türen statt, wo sich auch im nieseligen Berliner Winter die Raucher treffen und prachtvoll verschwörerisch lästern und scherzen und die Stimmung zudem wegen des leichten Eisbrechens sehr schnell sehr kommunikativ, ja erotisch aufladen – wie es der Genussdroge entspricht.

Übrigens nimmt die Berliner Politiker ja ganz zu Recht niemand wirklich ernst. Denn natürlich kann man hier immer noch fast überall rauchen. Erstens, weil es genug halblegale Bars gibt und solche, die der Kontrollgesellschaft keine Zigarettenlänge nachzugeben gedenken. Zum anderen, weil es bis zum Sommer nur folgenlose Rügen gibt. Trotzdem hört man immer mal von Leuten, die es nicht erschreckend uncool finden, laxe Bars beim Ordnungsamt zu denunzieren.