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das kulturelle überformat
Nr. 9 / 6. November 2007
#Jazzrock
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dossier: Soft Machine
Jazzrock

Kioskes im Zürcher HB geklemmt waren. Jedes Mal wieder strotzten diese Zeitungen, nach deren Lektüre man ganz schwarze Finger hatte, von neuen Namen, spannenden Querverbindungen und Besprechungen von Platten, die in ganz Zürich niemand haben würde, ausser Henry in seinem Hinterhofshop im Dörfli oder Ingo, der seinen BRO-Shop erst gerade lanciert hatte, und zwar im Korridor einer winzigen Wohnung in Wollishofen. Kurzum: die Rockkultur war in der Schweiz und weiten Teilen des restlichen Kontinentaleuropas ein Underground-Phänomen. Kaum eine Plattensammlung reichte über die grossen Namen hinaus, selbst wenn der kühne deutsche «Krautrock» Grossartiges hervorbrachte und auch in Frankreich viel am Tun war. Es war zudem ein Phänomen, das von den älteren Generationen gern als Jugendsünde verlacht wurde. Wer mit dreiundzwanzig immer noch Rock hörte, statt zur Klassik oder zum Jazz avanciert zu sein, galt gemeinhin als zurückgeblieben. Nun hatten sich die zwei- bis dreiminütigen Yeah-Yeah-Lieder im Stile der Beatles, der Stones und der Beach Boys längst als Schablone des konventionellen Hitparadenschaffens etabliert. Andererseits hatten so diverse Bands wie Cream, Led Zeppelin, Nice, Incredible String Band, Can, Jimi Hendrix Experience, Amon Düül 2 und Frank Zappas Mothers of Invention ihre Fühler über die Horizonte der Blues- und Rock’n’Roll- stämmigen Musik hinausgestreckt. Selbstverständlich war man bei der Suche nach frischen Ideen und neuen Einflüssen auch beim Jazz angelangt. Und im Jazz herrschte gerade Krisenstimmung. 1967 war John Coltrane gestorben, ein Revolutionär, der, ausgehend von den lang etablierten rhythmischen und melodischen Konventionen, mittels mutigen Improvisationen in gänzlich neue, «freie» Gefilde vorgedrungen war. Trane stand mit einem Fuss noch in der Tradition, mit dem anderen im Free Jazz und konnte so auch von konservativeren Jazz-Fans noch goutiert werden.

Musiker wie Ornette Coleman, Albert Ayler oder Cecil Taylor gingen beim Untergraben konventioneller Tonalitäten noch einen Schritt weiter – ihre Musik (und womöglich auch ihre Politik: Free Jazz