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das kulturelle überformat
Nr. 9 / 6. November 2007
#Interview mit Kevin Ayers
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dossier: Soft Machine
Interview mit Kevin Ayers

trafen, die später als Canterbury Scene bezeichnet wurden. All das war aber keineswegs so einflussreich wie etwa die Szene in Liverpool. Es tut mir leid, Sie enttäuschen zu müssen, aber ich glaube nicht, dass es je so etwas wie eine Canterbury Scene gab. Da waren nur ein paar Mittelklassekids, die aus der Schule kamen und eine andere Herkunft hatten, als man sie für gewöhnlich mit Rock’n’Roll assoziieren würde. Sie waren alle belesene und ziemlich gebildete Kinder der Mittelschicht. Es ergab sich einfach. Niemand sagte: Ich will ein Rock’n’Roll-Star werden. Es wuchs einfach.

Aber als Soft Machine im U.F.O.-Club von Joe Boyd und John «Hoppy» Hopkins in London spielten, waren Sie sehr wohl Teil einer Szene.
 
Oh ja. Das war aber nur zum Arbeiten.

Wirklich? War es nicht auch eine Art magische Familie?

Ja, genau das. Es war viel besser, als in einem Büro zu arbeiten. Soft Machine waren die einzige Familie, die ich je wirklich hatte. Wir machten diese Band, weil wir sonst nirgendwo hin konnten. Wir mussten irgendwie unseren Lebensunterhalt bestreiten. Wir konnten keine normalen Jobs ausüben, und auf der Strasse betteln wollten wir auch nicht. Was sollten wir sonst tun? Es gab nicht viel Auswahl. Das ist so, wie wenn sie einem bei Ryanair sagen:

Danke, dass Sie Ryanair gewählt haben. Als gäbe es eine andere Wahl! Aber die Billigflüge haben es mir immerhin ermöglicht, im Ausland zu wohnen und gleichzeitig meinen Lebensunterhalt zu bestreiten. Andernfalls wäre mein Leben undenkbar. Also sitzt man mit eingezogenen Knien im Flugzeug, trinkt den sehr schlechten Wein, den sie einem verkaufen, und leidet still vor sich hin.

Sie sagten vorhin, dass Sie in Grossbritannien keine Wurzeln hatten. Haben Sie sich in Malaysia mehr zu Hause gefühlt?

Ja, das war meine Heimat. Und von dort in ein englisches Internat geworfen zu werden, war wie ein Fall vom Himmel in die Hölle. Ich hatte in Malaysia nichts mit den weissen Kindern zu tun gehabt. Ich hatte nur mit den Einheimischen gespielt. Ich sprach fliessend Malaiisch, ein bisschen Chinesisch und Indisch, das meiste davon hab ich schon vergessen. Ich wurde auch in der Schule in Malaiisch unterrichtet. Ich lernte malaiische Geschichte und den Koran.

Hat dies auch Ihre Texte und Ihre Musik beeinflusst?


Musik bekam ich als Kind nicht bewusst mit. Das war bloss etwas, das die ganze Zeit rund um mich passierte. Egal, ob es nun eine Hochzeit gab oder Wayang Kulit, dieses Schattenmarionettentheater. Da gab es Gongs und diese Bambus-Xylophone, an deren