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das kulturelle überformat
Nr. 8 / 2. Oktober 2007
#Porträt Tony Wilson
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dossier: Factory Records
Porträt Tony Wilson

Vertrauen des TV-Bosses. Der erlaubte ihm, Punks ins Programm aufzunehmen zu einer Zeit, wo Punks anderswo als die Ausgeburt Satans galten (der Boss der privaten TV-Station Granada war darauf aus, der BBC die Zuschauer von Top of the Pops abzuluchsen).

«Die Pistols kamen zwar aus London, aber ihre Haltung passte besser zu Manchester», sagte Wilson. «Manchester war näher am Punkgeist dran. Warsaw, The Slits, Buzzcocks im Electric Circus – das war die Essenz.» Wilson hatte gerade ein paar Groschen geerbt. Er steckte sie in das Plattenlabel Factory, das er zusammen mit Kumpel Alan Erasmus, Produzent Martin Hannett und Joy-Division-Manager Rob Gretton startete. Bald war auch Grafiker Peter Saville an Bord – ohne ihn wäre es nicht gegangen. Mit Konzepten, die Wilson bei Marx, Adorno, Foucault und den Monkees abgeguckt hatte, machte man sich daran, Manchester zum Zentrum des Universums zu machen.

Und es klappte. Die Grafik der Plattenumschläge von Joy Division, Durutti Column/Vini Reilly und A Certain Ratio waren derart prägnant, dass der Erfolg nicht ausbleiben konnte. Rough Trade war das Heim verstiegener Musiker, Factory das Heim verstiegener Musiker, verstiegener Grafiker und verstiegener Geschäftspraktiken. Die Bands hatten keine Verträge, alles basierte auf Vertrauen. Dann entdeckte Barney Sumner die Freuden der New Yorker Clubwelt und startete die Hacienda. Mehrere Jahre lang pfiff der Klub aus dem letzten Loch, weil er so pionierhaft war, dass niemand kam. Dann ging es mit Acid-House los. Kein Londoner Indie-Kid hätte sich in eine Disco begeben – Tanzen war banal. In Manchester bestanden diese Berührungsängste nicht. Erstens hatten New Order mit ihrer Fusion von Indie und Moroder-Sound bereits für Verwirrung gesorgt. Zweitens gaben selbst Indie-Typen wie Stone Roses zu, dass sie Fans von Northern-Soul-Discos waren, den nur in Nordengland existierenden Discos, die ausschliesslich harte Soul-Nummern aus den frühen Sixties spielten.