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das kulturelle überformat
Nr. 7 / 4. September 2007
#Dub
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dossier: Reggae
Dub

Für Veal entwickelt sich aus diesem funktionalen Beginn eine dekonstruktionistische Ästhetik der «fragmentierten Songs und gebrochenen Rhythmen», die eine eigenständige Kunstform begründete. So lassen sich die Studiowizards – von Studio Ones Sylvan Morris über King Tubby und Lee «Scratch» Perry zu King Jammy – als Experimentatoren und Visionäre, als «irre Wissenschaftler» der populären Musik betrachten. Sehr einleuchtend beschreibt Veal ihre Arbeit als «Action Painting mit Klang». Dabei ist Dub zugleich Teil der elektronischen Revolution in der Musik, wie sie sich seit Mitte des letzten Jahrhunderts aus den Pariser und Kölner Experimentalstudios entwickelt hat.

Veal stellt in jeweils eigenen Kapiteln die einflussreichsten Produzenten vor, wobei er sich weniger für die Biographien interessiert, als für die stilistischen Neuerungen und Vorlieben, die sie unterscheiden. Deren Entwicklung war, anders als in den europäisch-amerikanischen Zusammenhängen (man denke an Stockhausens WDR-Studio oder George Martins Beatles-Studio), stark von ökonomischen Zwängen bestimmt und dem Zufall und «Missbrauch» bestimmter Technologien nicht weniger zu verdanken als dem Erfindungsreichtum der Produzenten.

Zugleich verortet Veal seinen Gegenstand elegant zwischen der sozialen Realität Jamaikas, der afrikanischen Tradition und der postkolonialen Wirklichkeit des «Black Atlantic», wie der Soziologe Paul Gilroy die afrikanische Diaspora bezeichnet. Bei Veal wird Reggae zur sozialen Kunstform. Hier geht es, beeinflusst von der oralen Ausrichtung afrikanischer Überlieferung nicht um den isolierten Sound und seinen Autoren, sondern um die Vielfalt der Stimmen. Ein Reggae-Song ist tendenziell die Summe seiner verschiedenen Versionen und – in den Worten eines Produzenten – «selbst der Mann am Mischpult erhält dabei seinen Platz im Scheinwerferlicht.»