Wenn sie zu Studenten spricht, wie geschehen im Oktober an der New York University, dann klingt die erst 28jährige Alicia Keys, als hätte sie ein ganzes Leben bereits hinter sich. Sie warnt vor Fehlern, erläutert die Tiefpunkte ihres Lebens, analysiert sie und erteilt Ratschläge. Einer der anwesenden Musikstudenten will von ihr gar Tipps, wie man einen todsicheren Hit schreibt, worauf sie antwortet: «Denke nicht an den Erfolg. Ein Song ist immer nur so gut wie die Wahrheit, die in ihm steckt.»
Zwei Tage später, im persönlichen Gespräch, sieht man Alicia Keys dann ganz aus der Nähe und plötzlich ist da auch die Jugend erkennbar, obwohl die leicht dunkle Stimme immer noch wesentlich älter klingt. Sie sei halt das Produkt von New York City, meint sie nicht ohne Stolz. Als Kind einer irisch-italienischen Mutter und einem afroamerikanischen Vater im berüchtigten irischen Viertel Hell’s Kitchen aufgewachsen, kann man den Grund nachvollziehen, weshalb sie oft spricht, als hätte sie schon alles gesehen. Selbst Bob Dylan hat dies beeindruckt und sie in seinem Song «Thunder On The Mountain» verewigt:
«I was thinkin’ ’bout Alicia Keys, couldn’t keep from crying
When she was born in Hell’s Kitchen, I was living down the line.»
Die beiden kennen sich nicht persönlich. Aber ihn wird 2001 wohl auch jener Erstling beeindruckt haben, der wie kein anderer in diesem Jahrzehnt Einblick in die schier unendlichen Talente einer damals noch völlig unbekannten Musikerin offenbarte: «Songs In A Minor» klingt noch heute fulminant, auch wenn sich nun zeigt, dass diese Platte mehr als Sammlung von Möglichkeiten gedacht war, denn als konkreter Hinweis, in welche Richtung es Alicia Keys einmal verschlagen könnte.