als 30 Jahre nach dem Tod des «Lolita»-Autors kam im November der Text «Das Modell für Laura» in die Buchläden. Wie Max Brod foutierte sich Nabokovs Sohn Dmitri um die Anweisung, die Romanfragmente zu zerstören – was der Rowohlt Verlag, der das Buch herausgibt, prompt für sein Marketing nutzt: Geschickt wird der Eigensinn von Nabokovs Sohn und Max Brod auf eine Linie gestellt und die Vorstellung, dass diese den letzten Willen der beiden Autoren erfüllt hätten, als «ziemlich kafkaesk» abgetan.
Diese Eingriffe zugunsten der Literatur gibt es nicht erst seit Kafka, bereits in der römischen Antike wurde über den Nachlass von Autoren verfügt. So verbot Kaiser Augustus, dass die Schriftrollen der «Aeneis» vernichtet werden, wie es der sterbende Vergil gewünscht hatte.
Heute haben es die Autoren da besser: Sie können ihren Nachlass öffentlichen Archiven oder Bibliotheken vermachen. Literaturpapst Marcel Reich-Ranicki tat dies bereits zu Lebzeiten, um allfälligen Streitereien um sein Vermächtnis vorzubeugen. Offenbar ist dies eine Notwendigkeit im heutigen Literaturbetrieb, der wie jeder andere Wirtschaftszweig auch den Gesetzen des freien Markts unterworfen ist – und beim Marktwert unveröffentlichter Werke oder Briefwechseln bekannter Schriftsteller die Kassen klingeln hört. Über diese Mechanismen kann man sagen, was man will; sie haben auch ihr Gutes: Die Leser sind die Gewinner. Sie können letztlich als Käufer honorieren, ob es richtig ist, Nabokovs oder sonst wessen letzten Roman auszugraben.