Die Literaturtheoretiker haben dies schon längst begriffen. Der Autor besitzt nicht, was er schreibt, lautet ihr Credo. Stirbt ein Schriftsteller, wird dieser Fakt noch um ein Vielfaches potenziert, landet die Deutungshoheit doch endgültig bei den Erben und Verlagen, Literaturkritikern und Lesern. Erst der Promotionsfaktor Tod macht Werke zu literarischen Vermächtnissen, zu Visitenkarten der verstorbenen Literaten.
Postume Veröffentlichungen stossen dabei auf ein besonders grosses Interesse, vor allem, wenn der Autor während oder kurz nach dem Niederschreiben stirbt (was allerdings kein Gütesiegel für ein Werk sein muss). «Ich habe nicht viel Zeit, ich sterbe», schreibt beispielsweise der chilenische Schriftsteller Roberto Bolaño in seinem Monumentalwerk «2666», das sechs Jahre nach seinem Tod auf Deutsch erschienen ist und zum Bestseller avancierte. Die Krankheit siegte, Bolaño konnte den Roman nicht ganz zu Ende schreiben; das weckt bei den Lesern die Neugierde am Tod. Dasselbe mit Hugo Loetschers literarischem Vermächtnis: Die autobiographischen Aufzeichnungen «War meine Zeit meine Zeit», erschienen drei Tage nach seinem Tod – und mussten bereits nachgedruckt werden, so gross war die Nachfrage. Das literarische Geschäft mit dem Tod läuft, ist man geneigt zu sagen.