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das kulturelle überformat
Nr. 27 / 15. September 2009
#Grunge im Kontext
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dossier: Grunge
Grunge im Kontext

Laut Elvis Costello ist die Musik wie die Astronomie. Bis das Licht von einem weit entfernten Stern einen auf der Erde erreicht hat, ist dieser längst erloschen. Glaubt man den Szenenkennern in Seattle, soll es beim Grunge nicht anders gewesen sein: schon 1992, im Jahr, als sich nach Nirvana auch Pearl Jam und Soundgarden zum Millionenseller mauserten, beklagten lokale Musiker und Journalisten den Integritätsverlust der Seattle-Szene.

Schliesslich war das einstige Insider-Biotop zum vermeintlichen Rock-Eldorado mutiert. In der Hoffnung, in der Ölspur des Grunge von der Goldgräberstimmung im Nordwesten der USA profitieren zu können, siedelten sich auswärtige Bands in Seattle an. Den Verwässerungsklagen der Nörgler zum Trotz: der Grunge-Boom der frühen 1990er-Jahre ermöglichte einen lange überfälligen Generationswechsel in der US-amerikanischen Musikszene, und dafür muss man dieser Szene bis heute dankbar sein.

Man erinnert sich: beim Weihnachtsverkauf 1991 waren U2, Michael Jackson und Genesis die grossen Zugpferde, allesamt Künstler mit langer Vorgeschichte, die dem traditionell jungen Musikpublikum kaum Identifikationsflächen boten. Selbst Guns N’Roses, die Neuankömmlinge in der Business Class der Musikindustrie, wirkten auf ihren simultan veröffentlichten Alben «Use Your Illusion I & II» so ausgetreten, als wären sie seit Jahrzehnten mit dabei.

Die allgemeine Verstaubtheit dieser Jahre erinnerte an die Stimmung in England Mitte der 1970er-Jahre, als Rock-Konzerte entweder im Stadion oder im Pub stattfanden. Ein lebendiges Mittelfeld gab es erst wieder, als die führenden Punk- und New-Wave-Bands aus den Clubs krochen und es sich in den Theatern und Sporthallen bequem machten. Auch Anfang der 1990er-Jahre musste neues Blut her, weil die US-amerikanische