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das kulturelle überformat
Nr. 27 / 15. September 2009
#Polnische Reportagenschule
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literatur
Polnische Reportagenschule

Ihre Sonderstellung haben die Wahlzeitungs-Reporter zwei international bekannten polnischen Altmeistern des Reportageschreibens zu verdanken: dem 2007 verstorbenen «Jahrhundertreporter» Ryszard Kapuściński, der eng mit der Wahlzeitung verbunden war, sowie Hanna Krall, der gefeierten Chronistin des Holocausts und ersten Chefin der Reportagenabteilung. Noch zu Zeiten des Kommunismus gründeten sie die Tradition der «literarischen Reportage», wo Fakten in eine literarische Form verpackt werden. Es waren die kommunistischen Behörden, die unbeabsichtigt dazu beitrugen, dass sich diese spezifisch polnische Reportagenschule entwickeln konnte. Die Autoren waren gezwungen, sich mit individuellen Schicksalen und einzelnen Vorkommnissen zu befassen. Über das System an sich zu schreiben, war nicht möglich. «Man konnte nur den einzelnen Fall schildern, doch der Leser verstand es, zwischen den Zeilen zu lesen, so dass die Reportage in jenen Jahren ein wichtiges Instrument der Kritik an der Wirklichkeit darstellte», so Kapuściński.

Während der Reporter Kapuściński – wie sein Vorbild Herodot, dem Historiker der griechischen Antike und «ersten Reporter der Welt» – jahrzehntelang den Globus bereiste und die perverse Machtlogik von Diktaturen und totalitären Staaten beschrieb, blieb Krall lieber zu Hause. Politik und die Frage nach Gut oder Böse interessierten sie nicht. Sie sei vielmehr auf der Seite der Gesellschaft, sagte sie einmal, bei den kleinen Leuten im Quartier. Kapuściński und Krall wurden Vorbilder für die jüngere Generation: Mariusz Szczygieł, Włodzimierz Nowak, Wojciech Jagielski,