– ein Zeichen dafür, dass die Ur-Thurgauer über einen zynisch angehauchten Sinn von Ironie verfügten. Denn der einzige Aha-Moment, der in Aadorf noch halbwegs vorstellbar ist, ist der, wenn zwei Schüler sich im Gebüsch zum ersten Mal an die Wäsche gehen. Den einzigen Blick über den nahen Horizont gewährte Artie Leimbacher, der Nachbarssohn, der einige Zeit in den USA verbracht hatte, davon zwar nie etwas erzählte, doch aber unbestritten einen amerikanischen Akzent in sein Thurgauerdeutsch einstreute.

Gemäss Eisenbahnerlegende war der Bahnhof deswegen so gigantisch, weil irgend ein englischer Prinz im letzten Jahrhundert hier Zwischenhalt machen wollte – er tat es dann doch nicht, aber der Bahnhof war gebaut. Auf Aadorf folgte Niederglatt im Zürcher Unterland. Das war an der internationalen Linie nach Stuttgart, und so sass ich jetzt am Stubenfenster, um von den Markierungen an den Güterwagen abzulesen, aus welchem fernen Land sie kamen. Ausserdem sah man in der Ferne die exotischen Flugzeuge auf Kloten zusteuern – mit Feldstecher konnte man gar erkennen, um welche Fluggesellschaft es sich handelte (Swissair, Lufthansa und Alitalia waren mit blossem Auge identifizierbar). Trotz diesem weltmännischen Anstrich konnte Niederglatt nicht immer seinen füdlibürgerischen Grundcharakter verbergen. So löste die Tochter eines gestandenen Bürgers einen veritablen Skandal aus, weil sie ohne BH auf den Zug ging!

Dann gab es auch noch Herr Oberholzer, ein knorriges, kleines Mannli im Pensionsalter mit winzigen Blinzelaugen, die hinter einer John Lennon-Brille mit flaschenbodendicken Gläsern hervorlugten. Oberholzer war nicht der Hellsten einer, genoss aber das Leben aus vollen Zügen. In der Kneipe (manchmal auch im Wartsaal) machte er gern den Handstand auf dem Tisch, sang dabei das Lied über den Gotthard und die Bremsen und liess sich dafür ein Bier spendieren. Oberholzer hatte auch ein Geheimnis. Einmal in der