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das kulturelle überformat
Nr. 27 / 15. September 2009
#Kolumne von Hanspeter Künzler, London
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gedankengang
Kolumne von Hanspeter Künzler, London

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Von Schweizer Bahnhöfen und englischen Zügen

Das anderswo in dieser Publikation beschriebene Rendez-vous mit Paddy McAloon hat mir einmal wieder eine lange Fahrt mit der englischen Eisenbahn beschert. Nun bin ich ja seit Dampflokzeiten ein grosser Fan von iron horses und allem Drumherum. Das hat auch ein bisschen nostalgische Gründe, verbrachte ich doch meine ganze Jugend in SBB-Stationen. Mit Eschlikon im Thurgau machte mein Vater seinen Sprung vom Beamten zum Stationsvorstand. An Eschlikon erinnere ich mich wegen zwei Ereignissen. Eins: eines schönen Regentages brach der Bahndamm ein, danach durfte ich wochenlang am Stubenfenster hocken und gelbe, grüne und rote Lastwagen beobachten, wie sie sich mit ihren dampfenden Erd-Ladungen am Haus vorbeischleppten. Zwei: Beim Spazieren mit der Mutter kam die Sintflut. Zum ersten und letzten Mal in ihrem Leben hielt die Mutter am Strassenrand ganz in der Nähe der überlebensgrossen Villars-Werbe-Kuh den Daumen in die Luft, und siehe da, ein steinalter Citroën von der Sorte, mit welcher Maigret einst vorgefahren ist, nahm uns mit.

In späteren Jahren habe ich oft Autostopp gemacht – ja, meine erste Englandreise geschah vollumfänglich auf den Hintersitzen von gastfreundlichen britischen Möchtegern-Jo-Sifferts. Aber nie mehr hat mich ein so supercooler Wagen mitgenommen wie jener erste Citroën. Nach Eschlikon kam Aadorf. Ein imposanter Bahnhof für ein Nest, dessen einziges einigermassen gefälliges Merkmal ein Waldweiher war, der von zwei wüst fauchenden Schwänen verteidigt wurde wie das Goldlager von Ali Baba. Gemäss englischer Wikipedia-Seite war Aadorf noch im Jahr 886 als «Ahadorf» bekannt