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das kulturelle überformat
Nr. 17 / 5. September 2008
#Kolumne von Ernst Molden, Wien
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gedankengang
Kolumne von Ernst Molden, Wien

Nachrichten aus der grossen Geisterstadt Wien (10)

Wiener Musik

Ich achte darauf, die grosse Geisterstadt Wien einmal im Jahr mit meinen Leuten zu verlassen. Der eigenen Vergeisterung muss Einhalt geboten werden, deshalb fahren wir an eine Stelle, an der das südöstliche Europa nur noch Libyen als vis-à-vis hat, um viel zu essen und viel zu baden.

Es ist unvermeidlich, dass man auf solchen Reisen Menschen trifft, die die eigene Sprache sprechen. Sodann wird man gefragt, wo man her ist, sodann sagt man: «Wien», sodann hört man: «Oh!» und wird angehalten, von Wien zu erzählen. In früheren Jahren pflegte ich dann zu erklären, dass Wien eben eine grosse Geisterstadt ist, dass eigentlich wenig passiert, und das, was doch passiert, sehr schwer zu deuten ist. Aber die Leute sind verstört, wenn sie so etwas hören. Also habe ich mir angewöhnt, «Wien ist herrlich!» zu sagen,  mich auf das letzte Schöne, das ich erlebt habe, zu konzentrieren und davon zu berichten.

Das letzte Schöne vor unseren heurigen Ferien war ein Konzert, das ich mit zwei wichtigen Herren aus der Wiener Musik spielen durfte, mit dem Herrn Walther und dem Herrn Karl. Mit Wiener Musik meine ich jetzt weder die Wiener Klassik, noch Pop mit Wiener Texten, sondern die wirkliche Wiener Musik, die Wiener Volksmusik. Dieses Genre, dessen heutige Form sich seit dem Biedermeier entwickelt hat, dieses teure Schatzkisterl voller Lieder, Tänze und Märsche, es  wäre unter dem Gezupfe des Anton Karas, unter  Grinzinger Tränensack- Schmachtfetzen und unter der Heimatfilm- Schrammlerei erstickt, wenn es nicht Menschen wie den Herrn Karl




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gelesen und vertont
von Ernst Molden


Musik: H-moll-Tanz,
Walther Soyka und
Karl Stirner
Sounds: Frangocastello,
Sfakia, Kreta
Produktion: Ernst Molden