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das kulturelle überformat
Nr. 17 / 5. September 2008
#Kolumne von Hanspeter Künzler, London
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gedankengang
Kolumne von Hanspeter Künzler, London

«Never look back. It’s lost energy.»

«Never look back. It’s lost energy.» Es entbehrt nicht der Ironie, dass selbiges Zitat ausgerechnet auf dem Frontcover einer CD mit Big-Band-Aufnahmen aus den 1940er Jahren prangt. Ich habe mir diese für £ 4 – läppische acht Schweizer Franken also – in einem jener CD-Läden gekauft, die alles so billig verscherbeln, dass einer wie ich, der noch immer nur im höchsten Notfall auf Downloads zurückgreift, jedes Mal in einen ungesunden Kauf- und Sammelrausch gerät, wenn er sich dahin verirrt.

Diesmal hatte ich noch einen zusätzlichen Fehler begangen, lang bevor ich über die Schwelle von Fopp Records in der Shaftesbury Avenue trat. Nämlich hatte ich vorher zwei, was sage ich: drei grosse Bier getrunken! Nun gehört es zu meinen angeborenen Charaktermerkmalen, dass ich beim Alkoholgenuss plötzlich alles ungemein spannend finde. Den Taxifahrer, der gelegentlich in meinem Pub verkehrt und den Stempeln in seinem Pass nach zu schliessen die ganze Welt bereist hat, den aber auf dieser ganzen Welt bloss die Prostituierten interessieren, habe ich in leicht betrunkenen Zustand schon einen ganzen Abend lang erduldet. Michael, dem schielenden Rentner, der von sich selber sagt, er hätte keine «Hobbies» und der bei den olympischen Spielen in der Disziplin «Langweiler» mindestens Bronze bekäme (sicherlich hinter Phil Collins, aber nicht unbedingt hinter Adolf Muschg), habe ich  – betrunken – schon ein Bier bezahlt.

Solcher Sozialmasochismus ist nichts gegen den Wahnsinn, der mich erfasst, wenn ich in angesäuseltem Zustand auf einen CD-Shop losgelassen werde. Werke von Uriah Heep, Mungo Jerry, Sailor, Dogbowl, Therapy!, Middle of the Road und das erste Album der Bee Gees sind noch die vernünftigeren Stücke, die mir