Anzeige
das kulturelle überformat
Nr. 17 / 5. September 2008
#Kolumne von Markus Schneider, Berlin
  3/4
gedankengang
Kolumne von Markus Schneider, Berlin

Begrüssung fröhlich: «Nehmt doch Pillen!», von denen in der Tat mehrere nach Farben geordnete Häufchen auf dem Couchtisch lagen. Es war aber, wie gesagt, nichts mehr los, was der Stimulanz wert gewesen wäre. Ausser vielleicht der apart derangierten Gastgeberin, die sich mit mir beschäftigte, weil ihr Lebensabschnittsgefährte an meiner Begleitung grub. Ein schöner, etwas vager Popmoment, der mir in Erinnerung kommt, wenn zum Beispiel, wie jetzt, olympische Spiele ihre Klagegesänge zum Doping anstimmen. Denn hinterher sind ja alle immer ganz enttäuscht, wenn die gestrauchelten Helden ihre schönen Medaillen wieder abgeben müssen.

Dabei müsste der Sport nur seinen Popappeal ernst nehmen, denn vom Pop lernen, heisst siegen lernen. Im Pop war Doping von Beginn an erlaubt, es hat seiner Blüte nicht geschadet, sondern im Gegenteil fast olympisch die Jugend der Welt unter seinem Zeichen versammelt. Totschicke Rekorde wie von Usain Bolt könnten reuelos für ihren Glamour gefeiert werden, wie auch für die lustige, teenagerhafte Überheblichkeit, mit der er sich nach der Konkurrenz umsah, als er mit offenen Schuhen ins Ziel galoppierte. Stattdessen legen alle zweifelnd die Stirn in Dackelfalten. Dabei muss man nur popgeschult die Zeichen lesen: Krass gut gelaunt und mega entspannt? Schuhe binden vergessen, aber schon in der Kantine beim Chickennuggetsholen tanzen und auf der Pressekonferenz Süsses essen? Aus Jamaika? Hallo?

Und während nun der sympathische Rudeboy wohl bald wegen Cannabis geächtet wird, würden Popgenres ohne Doping – von Reggae zu HipHop, von Techno und House zum natürlich Psychedelic Rock – anders klingen oder wären sogar ausgefallen. Genauso wie ohne Doping der Sport unterhaltungstechnisch am Ende wäre. Oje, das klingt jetzt ganz kulturpessimistisch. Dabei geniesst man in Berlin die letzten schönen Tage und auch die ereignislosen Wochen sind vorbei. Bald wird die megatolle,