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das kulturelle überformat
Nr. 26 / 24. Juli 2009
#Interview mit Moby
  8/9
musik
Interview mit Moby

Man muss wieder lernen, sich qualitativ wertvolle Zeit zu gönnen.

Genau. Heutzutage arbeiten die Menschen ja wirklich hart, aber wie man sich entspannt, wissen die wenigsten. Da arbeitet einer sechzig siebzig Stunden in der Woche und zwingt sich zur Entspannung zu Yoga oder Meditation, weil er sich denkt: so macht man das heute. Dafür wär es so einfach: eine gute Platte anhören, sich dazu hinlegen und schlicht und einfach nichts mehr tun. So eine Stunde kann Wunder wirken. Wenn man in ein Restaurant geht, will man, dass sich die Leute dort um einen kümmern. Bei der Massage will man, dass sich der Masseur um einen kümmert. Hört man sich sein Lieblingsalbum zuhause an, dann kümmert sich die Musik um einen. Man kann sich ausliefern und gehen lassen.

Sie sagen auch, man sollte sich das Album mit einem Kopfhörer anhören. Früher war es üblich, dass man sich Alben zuhause oft mit Freunden gemeinsam angehört hat. Heute scheint das nicht mehr der Fall zu sein. Wenn man durch die Stadt geht, sieht man ja ungemein viele Leute, die sich mit einem Kopfhörer von der Aussenwelt abschotten. Es ist ja beinahe paradox: die Verkaufszahlen von Musik hat rapide abgenommen, aber immer mehr Menschen scheinen sich – so sieht es zumindest auf den Strassen aus – Musik anzuhören. Es

stellt sich also die Frage, wird Musik heute noch als Kunstform wahrgenommen oder ist sie bloss Mittel zum Zweck, um die Umgebung auszuschliessen?

Das sind interessante Gedanken, die Sie da äussern. Ich denke, man sieht in diesem Verhalten auch, dass wir die unglaubliche Kraft und die Wirkung von Musik heute einfach als gegeben betrachten. Dafür ist Musik etwas völlig Verrücktes. Im Grunde genommen existiert Musik als Materie ja nicht. Sie ist im Grunde bloss Bewegung, die erzeugt wird, in dem wir die Luftschwingung verändern. Es ist keine Skulptur, die man anfassen kann. Es ist die einzige Kunstform, die wortwörtlich kein Gewicht besitzt. Du erfährst sie in dem Moment, in dem sie stattfindet, anschliessend ist sie weg. Musik ist etwas Zeitliches, und dennoch: Musik kann Soldaten dazu bringen, tapfer in den Krieg zu marschieren, sie kann Menschen zum Weinen bringen, Menschen lieben sich zur Musik oder starten dank ihr eine Revolution. Diese Kraft ist bemerkenswert für etwas, das technisch im Grunde genommen gar nicht existiert. Aber jetzt haben wir den Grundgedanken etwas verloren…

…ob die Musik heute nur noch Mittel zum Zweck ist…


…genau. Es kommt darauf an, von was für Musik wir sprechen. Es gibt solche, die ist darauf angelegt, bloss als Flucht vor der